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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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ihr Lächeln sich langsam verbreitern.
    Ich öffnete die Tür, ohne an meinen schlechten Atem zu denken oder an den Zustand meiner Haare, trat hinaus und wartete, dass sie etwas sagte. Sie hatte mich noch im Nachthemd erwischt, während ich die letzten Züge meines ersten richtigen Katers auskostete. Sie starrte mich an, so lange, wie sie konnte, und klaubte dann irgendwas von dem Ärmelaufschlag ihrer Jacke. Alter Eyeliner hatte sich in ihren Augenwinkeln verkrustet wie schwarzer Rotz.
    »Ist deine Mutter da? Darf ich nicht reinkommen?«
    »Sie ist da«, antwortete ich. »Sie sitzt vor der Glotze.«
    »Also, mein Dad hat gesagt, dass er mich in zwei Stunden abholt, also … ?«
    Ich drehte mich um, ging zurück ins Haus und ließ die Tür hinter mir offen. Es war billig, aber wenigstens ließ sie es mich auskosten und sagte nichts, während sie an der Tür herumfummelte, um sie zu schließen, und die Schuhe auf der Fußmatte abstreifte. Ich ließ sie die Treppe hoch in mein Zimmer hinterhergehen. Es kümmerte mich nicht, ob sie auf dem Weg durch die Diele im Wohnzimmer Barbara mit ihrem Glas vor dem Fernseher sitzen sah.
    »Shanks hat erzählt, was mit deinem Vater passiert ist«, sagte sie, ohne mich anzusehen. Die Worte liefen ineinander, weil sie zu schnell redete: Sie versuchte, es hinter sich zu bringen. »Es tut mir leid.«
    Ich war nun fast unantastbar – was würde sie sich heute trauen, mir zu sagen? Neuerdings geschützt und eine Berühmtheit an der Schule. Ich sagte nichts, und sie öffnete wieder den Mund und redete weiter, pflügte durch die Stille mit ihrem Gebrabbel.
    »Ein paar der Mädchen wollten zusammenlegen und dir eine Beileidskarte schicken«, sagte Chloe. »Oder irgendwas. Ein paar Blumen. Wir dachten, du hast vielleicht genug von Blumen.« Sie nahm ihre Tasche auf die Knie und zog den Reißverschluss auf. »Ich habe was für dich. Sorry, dass sie schon auf ist. Habe ich von zu Hause mitgehen lassen.«
    Sie gab mir eine Flasche, die in eine Plastiktüte gewickelt war, und ich nahm sie, ohne einen Blick darauf zu werfen, und stellte sie auf meinen Schreibtisch.
    »Danke«, sagte ich. »Hast du Kippen?«
    Sie nickte.
    »Dann gib her.«
    Ich suchte mein Feuerzeug und zündete mir eine an, direkt in meinem Zimmer, ohne das Fenster aufzumachen, sogar ohne die Tür zu schließen. Ich stellte mich vor sie und blies den Rauch nach oben. Sie starrte mich an. Ich sagte nichts, sondern beugte mich vor, schraubte die Flasche auf und nahm einen Schluck aus der Pulle. Wodka. Er schmeckte mir nicht. Er roch wie Nagellackentferner, aber ich trank ihn trotzdem.
    »Deine Mutter wird ausflippen«, sagte Chloe bewundernd.
    »Nein, wird sie nicht«, entgegnete ich, und es war die Wahrheit. »Ich kann jetzt machen, was mir gefällt.«
    Chloe ließ den Blick durch das Zimmer wandern, starrte auf die Poster an den Wänden, die sie schon viele Male zuvor gesehen hatte, und entdeckte etwas Interessantes in den Falten eines weiß-blauen Handtuchs, das über der Heizung hing. Fragte sie sich, was sonst noch anders war? Ich gab ihr die Flasche, und sie nahm einen Schluck.
    »Wer wollte mir eine Karte schicken? Emma? Wohl kaum.«
    Chloe sah mich sonderbar an. Es war, als wäre ich entstellt, als wäre mir etwas amputiert worden. Eine Missbildung, die ihr leidtat, aber die sie nicht wahrhaben wollte. So schwebte ihr Mitleid frei um ihre Worte, erleuchtete das eine oder andere davon und stieg dann nach oben – verstopfte die Luft und setzte sich an nichts fest, das sie hätte erwähnen können. Sie gab mir die Flasche wieder.
    »Ich habe dir noch was mitgebracht«, sagte sie und holte ein zerknittertes Blatt Papier aus ihrer Jackentasche. Ich dachte, es wäre ein Plakat von Wilson, und wollte es nicht nehmen, also legte sie es auf das Bett zwischen uns.
    »Forschungsprojekt. Abgabetermin vor den Ferien im Februar. Ich mache was über den Brennwert verschiedener Nusssorten«, sagte Chloe. »Emma macht dieses Verfahren mit Toilettenpapier und Filzstiften.«
    »Okay«, sagte ich. Ich blickte aus dem Fenster, immer noch rauchend.
    Ich gebe zu, es war aufregend, so desinteressiert an ihr zu sein und sie trotzdem hierzuhaben, während sie plapperte in der Hoffnung, ein Thema zu erwischen, auf das ich anspringen könnte. So aufregend, dass es schwer war, die langsamen Bewegungen beizubehalten, das Seufzen, die Schlaffheit, die ich in meinem Gesicht spürte.
    »Mrs Fenwick sagt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sie sagt,

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