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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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dir.«
    »Die Dunkelkammer«, sagte ich.
    Carl lächelte, fast schüchtern. Seine Schneidezähne standen leicht übereinander, und die Spalte dazwischen war dunkel gefärbt von Nikotin.
    »Es ist alles bereit für dich. Wann immer du Lust hast.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Sollen wir nicht zuerst runtergehen zum Weiher? Dafür sind wir doch hergekommen.«
    Carl lachte. »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er. »Wie wäre es, wenn wir das hinter uns bringen, um dein Gewissen zu beruhigen, und anschließend fahren wir zu mir, und du siehst dir das Zimmer an? Ich habe eine Profi-Ausrüstung inklusive Beleuchtung. Ich kann also die Bilder von dir machen und anschließend sofort entwickeln. Meine Mutter ist nicht da, deine Mutter … na ja, sie erwartet dich nicht so bald zurück. Wir hätten den ganzen Abend für uns. Chloe wird dabei sein, um dich zu schminken, und damit du dich lockerer fühlst.«
    Ich sah sie an, und sie nickte, eifrig. »Wir machen das oft, Lola, es ist lustig, und du siehst affengeil aus.«
    Ich biss mir auf die Lippe und fragte mich, ob Carl die Wahrheit sagte. Eine unaufdringliche Schönheit? War das möglich? Warum hatte sie ihm die Bilder gezeigt?
    »Mal sehen«, sagte ich. Er verdrehte die Augen und steckte die Hand wieder in die Innentasche.
    »Du vertraust mir wohl nicht, was?«, sagte er. »Hier. Du kannst sie behalten. Es war hinterhältig von Chloe, die Fotos zu machen, aber sie weiß halt, dass ich darauf abfahre. Du kannst sie behalten und später zu mir kommen.«
    »Ich überlege es mir«, sagte ich. Chloe lächelte.
    »Das ist mein Mädchen. Also los, kommt«, erwiderte Carl, und wir marschierten weiter.
    Ich weiß nicht, was es Chloe gekostet hatte, Carl zu überreden, uns zu fahren, weil ich sie nie gefragt habe. Ich weiß nur noch, dass ich das Gefühl hatte, dass sie glücklich waren. Sie waren fast übermütig mit einer Art verzweifelter, gezwungener Begeisterung, die zu Weihnachten zu gehören schien. Ich vermutete, dass sie den ganzen Nachmittag getrunken hatten.
    Wir erreichten die Lichtung, die zum Weiher führte. Carl und Chloe gingen voran, während ich mit leichtem Abstand folgte, aber nah genug, um zu hören, was sie redeten.
    »Ich habe meine Handschuhe im Wagen liegen gelassen«, sagte Chloe. »Hast du sie zufällig mitgebracht?«
    Carl schüttelte den Kopf. »Die müssen noch im Haus sein. Du hättest mich anrufen sollen.«
    Chloe legte den Kopf schief.
    »Wo ist eigentlich dein Handy?«, fragte er.
    »Hey, wir sind gleich da«, sagte ich, »und es wird nicht lange dauern. Ich kann dir meine Fäustlinge leihen. Chloe?«
    Ich rief ihr hinterher, aber in der Zeit, die ich brauchte, um meine Handschuhe aus den Jackentaschen zu ziehen, waren die zwei bereits zu weit voraus, die Gesichter einander zugewandt, sodass es für eine Sekunde aussah wie diese berühmte optische Täuschung, die man aus Büchern kennt – im einen Moment zwei Gesichter im Profil, dicht beieinander, im nächsten eine Vase. Ich habe es noch genauso vor Augen – ihre Nasen auf einer Höhe, Chloes Augen nach oben gerichtet zu Carl. Er zog ihr Gesicht näher an seins und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie kicherte.
    »Das ist schon eine Ewigkeit her, du Irrer«, sagte sie und riss den Kopf weg. Ihre Schultern stießen gegeneinander, während sie weitergingen, und Carl streckte den Fuß vor und tat so, als wollte er sie stolpern lassen.
    »Komm schon, du Dickschädel«, sagte er sanft und stupste ihr mit dem Ellenbogen in die Seite. Chloe blieb stehen, stemmte die Hände in die Hüfte und zog einen Schmollmund. Es war, als könnten sie auf diese Art kommunizieren: Sie hatten ein Geheimnis, das sie sich durch einen Code aus Atemzügen und Augenbewegungen gegenseitig anvertrauten.
    Dann standen wir vor dem Weiher. Jemand war vor uns da gewesen, und das erst vor Kurzem – das Gras zwischen dem Weg und dem Ufer war gefroren und zertreten von Schuhabdrücken.
    Chloe beschwerte sich wieder über die Kälte.
    »Da sind wir, Lolly-Lola«, sagte sie. »Und was sollen wir uns jetzt ansehen?«
    Ich gab keine Antwort. Ich mühte mich hinter ihnen ab, während sie bereits angekommen waren und ich noch durch das Laub stapfte – ich strengte mich an, sie einzuholen, ohne verzweifelt zu wirken oder in Schweiß auszubrechen.
    »Ich sehe nichts«, sagte Carl. Er war gelangweilt, seine Stimme klang heiser.
    »Weiter draußen«, sagte ich. Der Rest dessen, was ich sagen wollte, ging in

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