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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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er wieder angefangen, nicht? Im Januar, Februar? Gleich zweimal. Er hat am helllichten Tag versucht, die eine in seinen Wagen zu zerren.«
    Ich denke an Donald und nicke.
    »Mein Dad hat sich deswegen furchtbare Sorgen gemacht«, sage ich. »Chloe hat in dieser Zeit nicht mit mir geredet, aber selbst wenn, hätte ich nicht aus dem Haus gehen dürfen, außer zur Schule. Barbara hat sogar überlegt, ob sie mir ein Handy kaufen soll.«
    »Du hörst nicht zu«, sagt Emma. »Sie werden es herausfinden. Die Zeiten. Sie werden herausfinden, dass Wilson nicht weit gekommen ist am zweiten Weihnachtstag, und dass, wie auch immer er umgekommen ist, das vor Neujahr passierte. Und danach gingen die Überfälle weiter. Es wird sich alles klären. Die werden wissen, dass er es nicht war, und sie werden es sagen müssen.« Sie zeigt auf den Fernseher. »Terry wird es sagen müssen. Er kann das nicht verschweigen.«
    »Bis jetzt hat er nichts gesagt.«
    »Das wird er aber«, erwidert sie. »Er kann die Story nicht länger aufrechterhalten. Er hat unrecht, und das weiß er. Warum sonst senden die wohl die ganze Nacht durch?« Sie wedelt in Richtung Fernseher. »Niemand interessiert sich wirklich für Wilson. Außer Terry. Aber er bewegt sich auf ganz dünnem Eis.«
    Ich denke darüber nach und stelle fest, dass sie recht hat.
    »Dann ist die Sache jetzt erledigt?«
    »Ja.«
    Emma dreht sich weg von mir. Sie fragt nicht, warum ich Carl an jenem Abend angerufen habe, was so wichtig war, dass ich verlangte, mit ihm zu sprechen und über Chloe zu reden. Ich denke wieder an Wilson und spüre die alten Stiche aus Mitleid und Schuld. Und dann Zorn.
    Sie hat es nicht bemerkt, weil sie sich wieder im Zimmer umsieht. »Du solltest eine bessere Wohnung haben als die hier. Einen besseren Job. Freunde.«
    »Was meinst du damit?«
    »Du lebst wie ich, und du hast keinen Grund dafür. Dir hat niemand wehgetan.«

29
    Hier nun, was mit Chloe und Carl passierte. Ich weiß es, weil ich da war.
    Eine bitterkalte Nacht, und wieder einmal im Cuerden Valley Park, mit der Schlüsselblumen- und Hermelintafel und dem verschmorten Plastik, und durch den Wald den Pfad entlang, der nicht wirklich einer war – weiter zum Wasser und zu der Stelle, wo alles begann. Chloe ging voraus, und wir folgten ihr, während sie in seltsamem Zickzack durch ein Waldstück ging, das dichter war als das, wo der richtige Pfad entlangführte. Der Untergrund fiel steil ab, und die Blätter hatten sich in schwarzen Haufen gesammelt. Es war ein Umweg, natürlich. Ich tat so, als würde ich es nicht bemerken.
    Chloes Zähne klapperten, und sie marschierte mit den Armen rudernd voran, stapfte über gefrorenes, knirschendes Gras und die mit einer eisigen Puderzuckerschicht bedeckten Blätter. Sie hatte eine Flasche Sekt dabei, und sie trug sie, indem sie den Daumen in den Flaschenhals zwängte und sie neben ihrem Oberschenkel hin und her schwang. Gelegentlich blieb sie stehen, zog den Daumen heraus und legte den Kopf in den Nacken, um zu trinken. Die Goldfolie um den Flaschenhals war zerfetzt, abgekratzt und glitzerte unter ihrem Daumennagel.
    »Trink einen Schluck, das schmeckt geil.«
    Carl wollte die Flasche nicht anrühren, obwohl er sie mitgebracht hatte, aber als sie sie mir anbot, nahm ich einen Schluck und dachte daran, dass meine Lippen die Stelle berührten, an der sie die Flasche angesetzt hatte. Es fühlte sich ein bisschen besonders an.
    Sie sang auch, während wir marschierten. Ich erinnere mich an das Lied – »Jingle Bells« – wieder und wieder. Carl schubste sie von hinten gegen die Schulter und sagte ihr, sie solle die Klappe halten, aber sie lachte und begann, lauter zu singen, während sie mit den Händen gestikulierte und den Mund aufriss und die Augen, als würde sie auf einer Bühne stehen. Sie hatte keine schlechte Stimme, wirklich nicht. Sie schallte durch die Kälte und durch die Bäume, ohne ein Echo zu werfen. Chloe war aufgekratzt und zerbrechlich – die Verkörperung des Begriffs »hypernervös«. Und ich war taub vor Kälte und von allem anderen.
    Vielleicht hätte ich Angst haben sollen vor Carl, nachdem ich wusste, was er getan hatte und wozu er fähig war. Aber es war immer noch schwer, ihn mit etwas anderem als Verachtung zu betrachten. Und Chloe hatte auch keine Angst vor ihm. Ihr welche einzujagen, war nicht der Plan – ich musste sie dazu bringen, dass sie ihre eigene Haut retten wollte – , ich musste sie überzeugen, egal, was es kostete,

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