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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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bekommen. Nein. Reinlich zu werden.
    Das Haus musste blitzblank sein Schlag Mitternacht, was damit zusammenhing, den ganzen Müll aus dem alten Jahr zu entsorgen und sicherzustellen, dass man sauber und neu in das nächste hinüberging. Als ich klein war, wurde ich an Silvester immer in die Wanne gesteckt und bekam die Fingernägel geschnitten, bevor die Glocke schlug, und anschließend wurde begutachtet, ob ich bestanden hatte: in dem neuen Schlafanzug von Weihnachten, den ich ganz frisch anziehen musste, frisch aus der Verpackung. Ein Witz. Donald saß da im zerknitterten Hemd mit Flecken von der Tomatensuppe und schwarz verschmierten Fingern von seinem Filzstift.
    Barbara leerte den Treteimer in der Küche und rief zu uns herüber. Der Kerl auf der Mattscheibe beugte sich über das Mikro und schüttelte seine Haare ins Gesicht.
    »Ich bring das nur kurz raus zur Tonne!«, rief sie. »Bin gleich wieder da.«
    Ich erhob mich von meinem Kissen auf dem Boden vorm Fernseher und setzte mich auf die Couch neben Donald. Ich musste mich durch die schmale Lücke zwischen seinen Knien und dem Couchtisch quetschen, der beladen war mit ganzen Untertassen voller Cracker und Käsespießchen und dazu Schälchen mit Silberzwiebeln. Mit geringelten Gurkenstreifen und den Spezialtomaten. Sie sahen aus wie nasse, fleischige Rosen. Aus den Blätterteigpasteten ragten oben ein paar Garnelen heraus, als versuchten sie, sich mit einem Purzelbaum herauszukatapultieren auf den Teppich, und ich konnte es ihnen nicht verdenken.
    Es war kaum etwas angerührt worden, und mein Blick verharrte einen Moment auf dem Tisch, auf der kleinen Sherry-Flasche und den zwei winzigen Gläsern mit Goldrand, die nur einmal im Jahr benutzt wurden. Ist das erbärmlich , dachte ich. Nicht mal Sekt. Ich griff mir eine Handvoll Knabberzeug vom Tisch und schob mir ein Stück nach dem anderen in den Mund, indem ich sofort nachlegte, wenn ich geschluckt hatte. Es dauerte ein paar Minuten, aber es machte den Tisch ansehnlicher.
    »Krieg ich ein Bier, Dad? Um auf das neue Jahr anzustoßen?«
    Donald starrte ausdruckslos in die Flimmerkiste. Es lief jetzt ein anderer Song, den ich kannte. Er war von Prince beziehungsweise The Artist formerly known as oder wie auch immer, der irgendwas sang von »partying like it’s 1999«. Ich fand das weder lustig noch unterhaltsam, nicht einmal ironisch.
    »Besser nicht, Engelchen«, antwortete er nach einer Weile, als ich bereits dachte, er würde mich ignorieren. »Deine Mutter würde das nicht gern sehen.«
    »Aber es ist Silvester«, sagte ich. »Chloes Eltern erlauben ihr, Alkohol zu besonderen Anlässen zu trinken. Sie sagen, man kann damit verhindern, dass jemand später zum Alkoholiker wird.«
    »Ach ja?«, entgegnete er ausdruckslos. Er wandte den Blick vom Fernseher ab und senkte ihn auf den Couchtisch.
    »Möchtest du was essen, Dad? Soll ich dir einen Teller holen? Du hast heute Abend nicht viel gegessen, oder?«
    Donald betrachtete die Sachen auf dem Tisch, als wäre er sich nicht sicher, ob sie Nahrungsmittel seien oder Weihnachtsschmuck. Ich redete weiter und merkte erst, wie sehr ich wie Barbara klang, als ich wieder aufhörte.
    »Ich geh kurz in die Küche und hol dir einen Teller. Den kannst du dir dann auf die Knie stellen und nebenher davon naschen. Ganz schön viel Zeug auf dem Tisch, nicht?« Ich stand auf. Ich redete weiter aus der Küche: »Das ist im Prinzip dein Abendessen.«
    Ich nahm einen Teller aus dem Abtropfständer, als ich die grüne Flasche neben dem Herd entdeckte.
    Es ist nicht fair, dass ich nicht mal ein kleines Gläschen trinken darf an Silvester, dachte ich. Das verstößt gegen meine Menschenrechte. Man könnte argumentieren, dass die Verletzung von grundlegenden Menschenrechten eine Form von seelischem beziehungsweise emotionalem Missbrauch ist.
    Die Neonleuchte in der Küche brannte, und die Vorhänge waren offen: Der Garten hinter dem Küchenfenster war nicht zu sehen, weil es draußen dunkel war, pechschwarz, und Hagelböen rüttelnd darüber hinwegfegten, während Barbara immer noch draußen war und mit der Mülltonne herumhantierte. Und wahrscheinlich konnte sie mich hier drinnen wunderbar sehen mit einem Teller in der Hand, während ich die Flasche begutachtete und meinen Vater sich selbst überließ. Ich kehrte zurück ins Wohnzimmer, lud den Teller voll, setzte mich.
    »Von Käse kriege ich Albträume«, sagte Donald, und ich wollte gerade erwidern, dass ich wisse, aus welchem Buch

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