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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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ihn nicht angerührt, er wollte ihn bloß anschauen. Mein Bruder kam zurück mit einer Papiertüte voller Minzbonbons und freute sich wie ein Schneekönig, und mein Vater verabreichte ihm den Gürtel.«
    »War es ein Taxifahrer?«, murmelte ich.
    »Das ist nicht der Punkt, und deine vorlauten Antworten kannst du dir sparen. Ich habe Nein gesagt, und dabei bleibt es.«
    Sie ging zur Treppe und rief wieder nach oben, aber es deutete nichts darauf hin, dass Donald sie gehört hatte oder vorhatte, zum Abendessen herunterzukommen.
    »Ich muss sie unbedingt sehen«, sagte ich. Das war ein Fehler. Wenn man klang, als würde man sich etwas sehnlich wünschen, ließ man sie dadurch wissen, dass es sich lohnte, es einem vorzuenthalten – um einem Disziplin beizubringen.
    »Wir werden sehen, was heute Abend ist«, sagte Barbara und drehte sich wieder zu den Töpfen. »Vielleicht kannst du morgen hin. Warum schreibst du ihr nicht eine nette Karte?«
    Ich hatte Ausreden vorbereitet – zum Beispiel wichtige Hausaufgaben, die Chloe dringend haben musste, oder die Abgabetermine der Kursarbeiten. Ich wollte Barbara sagen, dass Chloes Mutter mich wahrscheinlich nach Hause fahren würde, aber ich gab es auf, und als ich nach oben ging, knallte ich die Tür hinter mir zu. Wenn ich nirgendwohin gehen durfte, machte es keinen Sinn, auf Zehenspitzen herumzuschleichen.
    Donald saß mit einem Stapel Papiere auf den Knien in seinem blauen Sessel. Ich konnte ihn durch den Spalt in der Tür sehen, und weil sie angelehnt war, war es okay, reinzugehen. Er reagierte überrascht, hob den Kopf und sah mich an, als hätte er geschlafen. Ich fragte mich, was die beiden den ganzen Tag trieben, wenn ich in der Schule war – ob sie überhaupt miteinander sprachen, wenn ich nicht da war, um Nachrichten die Treppe hochzubringen.
    »Mum sagt, das Essen ist gleich fertig«, sagte ich.
    »Was war da unten los? Was war das für ein Krach?«
    »Nichts.«
    Ich schnaufte und hockte mich auf die Kante seines Tischs. Es war kein richtiger Schreibtisch, obwohl er ihn als solchen benutzte. Es war der alte Klapptisch, an dem wir früher in der Küche gegessen hatten, als er und Barbara für einen richtigen Tisch sparten. Die weiße Resopaloberfläche hatte lauter Kratzer und einen braunen Ring, nachdem ein heißer Topf dort achtlos abgestellt worden war. Nun war sie übersät mit Marmeladengläsern voller Knöpfe und Büroklammern und Kieselsteine, die Donald bei seinen Spaziergängen sammelte. Ein alter Toastständer, vollgestopft mit Zeitungen und Zeitschriften. Stapelweise gebundene Bücher, aus denen Papierstreifen hingen, mit denen wichtige Stellen markiert waren, die er kopieren wollte. Seltsame Grafiken und Diagramme, die er mit so viel Kraft gezeichnet hatte, dass das Papier an einigen Stellen eingerissen und der Abdruck so tief in die Tischoberfläche geritzt war, dass man mit geschlossenen Augen Donalds Gedankengänge mit den Fingerspitzen nachvollziehen konnte.
    »Chloe geht es nicht gut, sie musste ins Krankenhaus, und Barbara will mir kein Geld für den Bus geben, damit ich sie besuchen kann.«
    Donald schüttelte nicht den Kopf oder blickte besorgt drein und brachte mich dazu, ihm zu erzählen, was mit Chloe los war. Er tat so, als hätte er mich überhaupt nicht gehört.
    »Weißt du, was ich heute entdeckt habe?«, fragte er leise. Er griff seitlich an seinem Sessel herunter, hob ein kleines grünes Glas auf und nahm daraus einen Schluck.
    »Terry Best kauft Benzin in winzigen Mengen«, sagte ich. »Mein Onkel Ron hat seine Hosen fallen lassen für ein paar Bonbons. Keine Ahnung.«
    Donald lachte, als hätte ich etwas sehr Geistreiches gesagt.
    »Das wusste ich gar nicht von Ronald«, sagte er. »Aber es wundert mich nicht, oh nein. Er sieht aus, als wäre er ein ganz schönes Schleckermaul.«
    Ich seufzte. Donald hatte mich rumgekriegt. Sich über ihn lustig zu machen, war, wie sich über Wilson lustig zu machen. Es war leicht, aber es endete immer nur damit, dass man ein schlechtes Gewissen bekam.
    Onkel Ron war ein faireres Ziel – aufgedunsen, zorniger und rechthaberischer als Barbara, und fähig, monatelang unterzutauchen, um dann ein- oder zweimal im Jahr plötzlich auf der Bildfläche zu erscheinen und eine Mahlzeit und Kohle zu schnorren. Barbara gab ihm immer alles, was sie im Portemonnaie hatte, und ich war froh, dass ich keine Geschwister hatte.
    »Was hast du entdeckt?«, fragte ich und hockte mich zu ihm auf die Armlehne des

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