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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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Fußende. In dem abgetrennten Bereich standen drei weitere Betten, jedes davon belegt mit einer gebrechlichen, farblosen Greisin und umringt von einer Besucherschar. Ich wusste, ohne fragen zu müssen, dass Chloe sich geweigert hatte, in der Kinderabteilung zu liegen.
    Nathan hockte auf ihrer Bettkante und studierte ein Diagramm. Er trug einen grünen Pullover mit V-Ausschnitt über einem blauen Hemd. Amanda saß auf einem Plastikstuhl und blätterte langsam in einer Zeitschrift. Ich konnte Chloe nicht sehen, weil Amanda die Sicht versperrte, aber ich konnte ihre Füße sehen – zwei Beulen unter der Decke mit Waffelmuster.
    »Oh, da kommt Laura, um dich zu besuchen. Sieh mal, Laura ist da!«
    Amanda redete immer so, als würde sie die Wiederkunft verkünden. Es musste anstrengend sein, ständig Begeisterung aufzubringen. Nathan hob kurz den Kopf und senkte ihn dann wieder auf das Diagramm. Chloe hatte einen hellrosa Pyjama an und die Haare sorgfältig zurückgebunden. Sie lehnte sich gegen fünf dick gepolsterte weiße Kissen – so weiß, dass ihre Haut fahl wirkte. Aber trotzdem, sie sah gut aus. Müde, aber gut.
    »Hey«, sagte ich, aber sie verdrehte nur die Augen, und, aus Gewohnheit, verdrehte ich meine auch. Ein pink- und silberfarbenes Point-Romance -Buch lag mit den Seiten nach unten in ihrem Schoß. Sie nahm es auf, klappte es zu und steckte es in ihre Nachttischschublade.
    »Setz dich doch«, sagte sie, aber es gab keinen Stuhl.
    Amanda sprang auf. »Nimm den hier, nimm den«, sagte sie und schickte Nathan los, einen anderen Stuhl zu besorgen. Sie dirigierte ihn mit einer Hand, während sie mit der anderen die untere Schicht einer Pralinenschachtel freilegte, damit ich das andere Stück mit Erdbeerfüllung haben konnte. Die Tränensäcke unter ihren Augen waren gerötet: Chloes Mutter zu sein war bestimmt auch anstrengend.
    »Greif zu, Schätzchen. Ich weiß, du magst die Rosafarbenen, nicht wahr?«
    Ich begriff sofort, dass es keine Möglichkeit gab, mit Chloe alleine zu sprechen, und ich faltete das Poster, das ich die ganze Zeit in den Händen hielt, kleiner und kleiner zu einem Dreieck. Als es nicht mehr kleiner ging, steckte ich es hinten in meine Jeans. Ich drückte die Praline mit der Zunge gegen meinen Gaumen. Sie zerplatzte, und die dickflüssige Erdbeercreme verteilte sich über meine Zähne. Es schmeckte wie Hustensaft.
    Hätte ich im Bett gelegen, und Chloe wäre mich besuchen gekommen, während Donald und Barbara uns belagerten, hätte sie einen Ausweg gefunden. Sie hätte den Kopf geschüttelt und die Lippen geschürzt – sich verhalten wie eine Erwachsene – und sie in die Cafeteria geschickt, um einen Kaffee zu trinken und (mit einem Zwinkern zu Barbara) »Vielleicht eine zu rauchen?« Sie hätten ihr beide anstandslos gehorcht, weggefegt von der Macht dessen, was auch immer Chloe wünschte. Ich stellte mir vor, wie sie blinzelnd vor ihrem Kaffee saßen, den sie nicht mochten oder wollten, und sich fragten, wie sie dorthin gelangt waren und was sie dazu veranlasst hatte, sich einen Kaffee zu kaufen. Ich warf einen Blick zu Amanda, die geschäftig weiße Blumen in einem Plastikkrug arrangierte, und ich startete nicht mal einen Versuch.
    »Du bist lustig«, sagte Chloe mit ihrer Erwachsenenstimme. »Du kommst den ganzen Weg hierher und sagst kein Wort?«
    »Sei nicht so undankbar«, fiel Amanda rasch dazwischen. »Laura ist ganz alleine mit dem Bus gekommen, nur um dich zu besuchen.«
    Ganz alleine. Als wäre ich sechs Jahre alt und man könnte mir nicht das Wechselgeld für meine Fahrkarte anvertrauen. Bei meiner ganzen sorgfältigen Planung und dem fleißigen Einstudieren dessen, was ich sagen würde, während ich auf den Bus gewartet hatte, der mich hierherbrachte ( es ist nicht deine Schuld, dass Carl was Schlimmes getan hat – aber du darfst dich nicht von ihm da mit reinziehen lassen ), hatte ich nicht bedacht, wie ich die Sache angehen würde, wenn Chloes Mutter mir dabei über die Schulter sah. Es war ärgerlich.
    »Und, geht es dir gut?«, fragte ich.
    Sie machte den Eindruck, als ginge es ihr gut. Ihre Eltern waren nicht wütend auf sie, also konnte sie nicht schwanger sein – und falls doch, ahnten sie nichts davon. Die Tatsache, dass sie hier von Ärzten umgeben war, die wahrscheinlich nur einen Blick auf ihre blonden Haare und die mit Kajal umrandeten Augen geworfen hatten, um das als Erstes zu überprüfen, bedeutete, dass es wahrscheinlicher war, dass sich die ganze Sache

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