Ich klage an
(30000), Afghanistan (26000) und dem Iran (24 000). Aus Pakistan, Tunesien und Algerien kamen bis zum Jahr 2000 insgesamt circa 35 000 Menschen in die Niederlande. 2 Als Folge von Geburten und Nachzugsmigration werden diese Gemeinschaften in den kommenden Jahrzehnten stark zunehmen. Einige Fakten:
~ Muslime machen derzeit die größte neue weltanschauliche Gruppe der Immigranten aus.’ In absoluten Zahlen geht es um 736000 Muslime. Die meisten von ihnen bleiben stark auf ihre eigene Gemeinschaft orientiert. Das beweist der sehr hohe Anteil an Importehen (fast drei Viertel bei Türken und Marokkanern) und der niedrige Anteil von Ehen mit alteingesessenen Niederländern (wahrscheinlich weniger als fünf Prozent). »Bei der übergroßen Mehrheit, die vor allem aus islamischen Ländern stammt, ist von Konvergenz keine Rede«, behauptet der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Arie van der Zwan. »Ihr demographisches Profil ist traditionell, wobei das Auffallende gerade darin liegt, daß sich die erste und die zweite Generation darin nicht unterscheiden.« 4 Van der Zwan zufolge stellt das Festhalten an traditionellen Normen (etwa den Frühehen und den Schwangerschaften in ganz jungen Jahren) in einer modernen Gesellschaft ein wichtiges Hindernis für soziale Mobilität und Integration dar. Denn Kinder aus einer großen Familie mit schlecht ausgebildeten Eltern treten in die Fußstapfen ihrer Eltern. »Und soziale Mobilität setzt nun einmal eine längere Ausbildungsdauer voraus, die jedoch
im Widerspruch zu Heiraten in jungen Jahren und rasch darauffolgenden Geburten steht.«
Muslime leben in den Niederlanden überwiegend in den sozialen Problemgebieten der großen und mittelgroßen Städte. Muslimische Migranten haben in der Regel eine geringe Schulbildung. Die meisten Türken und Marokkaner stammten aus den untersten sozio-ökonomischen Gesellschaftsschichten ihres Heimatlandes. Auch ein Teil der Asylmigranten kann kaum lesen und schreiben. Kinder aus muslimischen Milieus haben relativ hohe schulische Fehlzeiten. Sogar Mädchen, die weiterführende Schulen besuchen, werden auf Druck ihrer Familien verheiratet und brechen deshalb oft ihre Ausbildung ab. Die Arbeitslosigkeit unter Muslimen ist noch immer zwei- bis dreimal so hoch wie unter gebürtigen Niederländern. Viele berufstätige Migranten arbeiten in konjunkturabhängigen Sektoren der Wirtschaft, etwa im Einzelhandel oder im Gaststättengewerbe. Ein relativ großer Teil von ihnen beansprucht Sozialleistungen. Die Kriminalität ist unverhältnismäßig hoch; Bovenkerk und Yesilgöz nennen die Kriminalitätsraten sogar alarmierend. 3
Seit dem Angriff auf die Twin Towers am ll. September 2001 und dem Ergebnis der niederländischen Parlamentswahlen am 15. Mai 2003 hat das Problem der Integration von Muslimen noch mehr an Brisanz gewonnen. Allein schon der Gesprächston ist grimmiger geworden. Der politisch radikale Islamismus wird in den Medien ausführlich diskutiert. Zugleich gibt es Hinweise, daß auch in den Niederlanden ein Teil der Muslime für diesen Zweig des Islam nicht unsensibel ist.
Die Welt des Islam
In ihrem Versuch, den Islam zu verstehen, neigen Wissenschaftler dazu, diese Religion von ihrer sozialen Herkunft zu trennen. Man beschreibt ihre theologische Vielfalt, die Geschichte der islamischen Philosophie oder den Islam als eine spirituelle innere Reise. Selten betrachtet man die Entstehungsgeschichte (Soziogenese) dieser Weltreligion unter soziologischen Aspekten.
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, schreiben die italienischen Forscher Allievi und Castro, ganz einfach, weil es bis vor kurzem in Westeuropa keinen Islam gab. Den Mangel an gründlicher Analyse schreiben sie der Tatsache zu, daß der Islam als Forschungsgegenstand bisher der kleinen Welt der klassischen Orientalistik Vorbehalten war und damit zum Gefangenen von deren Forschungsmethoden und Interessen wurde. Weiterhin konstatieren sie das nahezu vollständige Fehlen soziologischer Untersuchungen über den Islam von Wissenschaftlern in der islamischen Welt. 6 Auffallend ist, daß dort eine dem Werk des deutschen Soziologen Norbert Elias vergleichbare Untersuchung über die Soziogenese und Psy-chogenese der islamischen Kultur völlig fehlt/
In den Werken von Lewis und Pryce Jones werden drei -eng zusammenhängende - Charakteristika der traditionellen islamischen Gedankenwelt behandelt. Die religiös-kulturelle Identität von Muslimen ist demnach gekennzeichnet durch :
□ eine
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