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Ich klage an

Titel: Ich klage an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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Islam arm, schwach und unwissend geworden.
    Auf die Frage »What went wrong?« gibt es Lewis zufolge zwei gängige Betrachtungsweisen. Die erste ist die der Säku-laristen. Diese stellen die Bedeutung der Religion in islamischen Gesellschaften zur Diskussion. Sie meinen, daß der Vorsprung des Westens durch die prinzipielle Trennung von Kirche und Staat zu erklären sei und durch die Schaffung einer civil society, einer Zivilgesellschaft, die sich an die weltliche Gesetzgebung hält. Die zweite Betrachtungsweise ist sozialpsychologisch und wird auch von zahlreichen Frauenrechtlerinnen aufgegriffen. Sie hebt den Sexismus und die untergeordnete Stellung der Frauen in der islamischen Gesellschaft hervor. Dadurch verzichte die islamische Welt nicht nur auf das Talent und die Energie der Hälfte ihrer Bevölkerung, sondern in dieser Erziehungspraxis verberge sich ein noch grundlegenderes Problem, da die Kinder ja analphabetischen und unterdrückten Frauen anvertraut werden ( down-trodden mothers).
    »Die Produkte einer solchen Erziehung... werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach zu arroganten oder unterwürfigen Erwachsenen entwickeln und so untauglich für eine freie, offene Gesellschaft«, schreibt Lewis und protokolliert anschließend die zunehmende Beliebtheit einer perversen Antwort unter Muslimen auf die Frage: »What went wrong?« Sie lautet, uns hat das Böse getroffen, weil wir das göttliche Erbe des Islam vernachlässigt haben. Diese Antwort ist genauso simpel wie tödlich, denn sie bedeutet eine Rückkehr zu einer meist nur so angenommenen Vergangenheit. 14 Beispiele hierfür sind die iranische Revolution sowie die fundamentalistischen Bewegungen und Regime in einigen islamischen Ländern. Verglichen damit bietet die säkulare Demokratie mehr Perspektiven. Deshalb steht Lewis auch der von Kemal Atatürk gegründeten Türkischen Republik positiv gegenüber. Pryce Jones’ Prognose über das Maß, in dem Säkularisation und andere westliche Entwicklungen von Völkern in einer gefestigten Stammesgesellschaft verstanden werden können, ist dagegen düsterer.
    Lewis’ Position ist klar, der Untertitel seines Buches The Clash between Islam and Modernity and the Middle East ist vielsagend genug. Den Völkern, die einst Teil der islamischen Kultur waren, ist es nicht gelungen, den einschneidenden, schmerzhaften, aber zugleich befreienden Prozeß der Modernisierung zu durchlaufen. Ihren Nachbarn und Rivalen, dem christlichen Westen, ist dies geglückt. Lewis warnt vor einer Abwärts spirale von Haß und Ressentiment, Wut und Selbstmitleid, Armut und Unterdrückung. Er hofft, daß die Moslems ihr Talent und ihre Energie für eine gemeinsame Sache einsetzen, um auf diese Weise in der Zukunft vielleicht wieder zu einer bedeutenden Kultur zu werden.
    In dieser Beziehung ist Lewis optimistischer als Pryce Jones. Lewis verlangt von den Muslimen, sich von ihren wichtigsten Werten zu lösen, von dem, was sie tagein, tagaus ihren Kindern weiterzugeben versuchen. Dazu müßten sie sich von dem an Ehre und Gruppe gebundenen Denken und von der patriarchalischen Familienstruktur verabschieden. Aber ausgerechnet das sind, so Pryce Jones, die charakteristischen Merkmale des Stammes, gerade sie bewirken den geschlossenen Kreis. Diese Stammeswerte und die Stammesidentität sind derart selbstverständlich, daß diejenigen, die sie verinnerlicht haben, die katastrophalen Langzeitfolgen nicht sehen wollen. Die Selbstverständlichkeit beruht zum großen Teil auf der immer wieder von neuem vorgetragenen Legitimation allerlei prämoderner Vorstellungen mit Hilfe von Texten aus dem Koran. Vorstellungen und Bräuche aus der Stammesgesellschaft Mohammeds werden ohne Verständnis für ihren historischen Kontext auf die industrielle, urbane Gesellschaft der Gegenwart übertragen.
    An der Antwort auf die Frage, ob sich islamische Stammesidentität und der Modernisierungprozeß verbinden lassen, scheiden sich die Geister. Armstrong meint, Moslems hätten in der Vergangenheit ihre Fähigkeit bewiesen, Vernunft und Religion trennen zu können. Früher habe es unter den Moslems große Philosophen gegeben, sie eroberten riesige Gebiete und schufen eine Weltkultur. Das Problem liege weniger bei den Muslimen und ihrer Religion als in der Haltung des Westens gegenüber den islamischen Ländern; durch den Imperialismus und die wirtschaftliche Übermacht der USA würden den Muslimen die Möglichkeiten genommen, ihre Probleme selbst zu lösen.
    Lewis ist

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