Ich klage an
hiesigen Freiheiten, die in ihren Herkunftsländern Mangelware sind.
Welche Hindernisse sind es nur, die dem Fortschritt der Muslime im Weg stehen? Warum können sie die Kluft zwischen sich und dem Westen nicht überwinden? Und warum können sie sich nicht einfach in die westliche Gesellschaft integrieren?
Die Rückständigkeit der Muslime läßt sich den Aussagen von Experten zufolge durch verschiedene Faktoren wie den westlichen Imperialismus und ungünstige klimatische Bedingungen erklären. Außerdem wird zur Begründung angeführt, daß viele islamische Nationalstaaten künstlich und zu plötzlich gegründet worden und später zu Diktaturen entartet seien. Die Diktatoren in diesen Staaten sind mit Hilfe westlicher Regierungen an die Macht gekommen oder können sich nur mit tatkräftiger Unterstützung der Vereinigten Staaten an der Macht halten.
Die Annahme, die gerade genannten Faktoren seien die Ursache der Rückständigkeit der Muslime auf der ganzen Welt, wurde von dem Historiker Bernard Lewis überzeugend widerlegt. Er erklärt sie eher mit dem Gefühl der Zurücksetzung, das Muslime gegenüber Abendländern empfinden. Jahrhundertelang hatten Muslime die Menschen im Westen für dumm und rückständig gehalten. Doch seit dem zwölften Jahrhundert hat das jüdisch-christliche Abendland die islamische Zivilisation nicht nur eingeholt, sondern überholt.
Mit einer inneren Erklärung warten Islamisten wie Sayyid Kutb und Hassan al-Banna, die Gründer des radikalen Islam, auf. Nach ihrer Auffassung kann die Umtna, die Gemeinschaft der Gläubigen, nur gedeihen, wenn sie sich streng an den Wortlaut des Korans und der Hadith, der Überlieferungen des Propheten Mohammed, hält. Sie behaupten, daß die Muslime vom rechten Weg, den der Prophet Mohammed ihnen gewiesen habe, abgewichen und darum selbst schuld seien an dem Elend, in dem sie nun lebten. Diese These wurde von den Anhängern dieser beiden Islamisten in verschiedenen Ländern empirisch bestätigt, indem sie fundamentalistische Regime errichteten, die für sich beanspruchen, der islamischen Tradition buchstabengetreu zu folgen. Da die Regime im Iran und in Saudi-Arabien kurz vor dem Zusammenbruch stehen und das von Bin Laden unterstützte Taliban-Regime in Afghanistan bereits gestürzt wurde, muß diese islamistische
Theorie eigentlich als widerlegt betrachtet werden. Die Politik, die dem Islam buchstabengetreu gefolgt ist, hat dramatisch versagt. Und der Islam verfügt auch nicht über ein glaubwürdiges und realisierbares Politikmodell. Aber ich muß den Islamisten recht geben, wenn sie feststellen, daß es dem weitaus größten Teil der Muslime einfach nicht gelingt, als puritanische Gläubige zu leben, die alle Ge- und Verbote Allahs gewissenhaft einhalten.
Die Probleme - Aggression, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Stillstand, Unterdrückung, Epidemien und gesellschaftliche Unruhen -, denen sich die Mehrheit der weltweit etwa 1,2 Milliarden Muslime auf allen fünf Kontinenten gegenübersieht, lassen sich nicht mit einem oder zwei Faktoren erklären. Wer nach einer genauen Erklärung sucht, wird diese in einer Kombination von Faktoren finden, die zeitlich unterschiedlich einzuordnen und zum Teil regionaler Natur sind. In meinen Augen findet ein bestimmtes Element in der einschlägigen Literatur über diese Erklärungsmuster nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit: die Sexualmoral des Islam. 3 Diese Moral ist typisch für prämoderne Stammesgesellschaften, wird aber im Koran geheiligt und in den Überlieferungen des Propheten weiter ausgearbeitet. Bei vielen Muslimen kommt diese Moral in ihrer obsessiven Fixierung auf das Jungfernhäutchen zum Ausdruck. 4 Dem Hymen wird eine derart große Bedeutung beigemessen, daß die menschlichen und gesellschaftlichen Katastrophen, die aus dieser Obsession resultieren, übersehen werden.
»Eine junge Frau mit einem beschädigten Jungfernhäutchen ist wie ein gebrauchter Gegenstand«, müssen sich junge Muslimas oft anhören. Ein Gegenstand, den man wohlgemerkt nur ein einziges Mal benutzen kann und der danach für immer wertlos ist. Eine junge Frau, die ihr »Unberührtheitssiegel« verloren hat, findet keinen Ehepartner mehr und ist dazu verurteilt, den Rest ihres Lebens in ihrem Elternhaus zu verbringen. Da die Defloration außerhalb der Ehe stattgefunden hat, hat sie darüber hinaus ihre Familie möglicherweise bis in den zehnten Grad der Blutsverwandtschaft entehrt. In Zukunft werden andere Familien
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