Ich klage an
Mohammed in der Hauptrolle in die Kinos kommt, mit einem arabischen Theo van Gogh als Regisseur, haben wir einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Und wo bleibt Like aprayer von einer marokkanischen Madonna? Kann man sich in der islamischen Welt einen Regisseur wie David Potter vorstellen, der einen Film macht, in dem der Lippenstift einer arabischen Frau auf dem Kragen eines iranischen Generals zu sehen ist?
Spott ist eine bittere Notwendigkeit, aber es muß noch viel mehr geschehen. Ich will Mohammed als echte Person in einem Film wie Ben Hur sehen - mit seinen neun Frauen. Viele arabische Dichter denken, daß sie viel besser schreiben und dichten können als Shakespeare. Aber wo bleibt dann das islamische Romeo und Julia ?
Die fünfzehn Millionen im Westen lebenden Muslime haben die beste Chance, diese Kulturwende zu verwirklichen. Das soll nicht heißen, daß in der Türkei, in Marokko, in Indonesien und in anderen Ländern nicht auch viele Schritte in Richtung Modernisierung gemacht werden. Selbstverständlich werden die Befürworter einer Modernisierung des Islam auf großen Widerstand stoßen. An diesem Widerstand müssen sie wachsen. Dieser wird vor allem von Seiten der muslimischen Brüder und Schwestern kommen, die es bevorzugen, noch ein paar Jahrhunderte im Jungfrauenkäfig zu verharren. Das ist eine wichtige Aufgabe für die gebürtigen Westeuropäer. Sie dürfen sich nicht dazu verführen lassen, die »gekränkten« Muslime in Schutz zu nehmen. Es liegt im Interesse sowohl der islamischen als auch der westlichen Welt, eine blühende Kultur der Kritik unter den Muslimen zu fördern und zu unterstützen, wo immer das möglich ist. Die islamische Welt befindet sich in einer großen Krise, die aber auch eine Gefahr für den Westen darstellt. Dieses Risiko liegt nicht nur im Terrorismus, sondern auch in Migrationsbewegungen und in der Gefahr, daß es im Mittleren Osten, der größten Ölquelle des Westens, zu Bürgerkriegen kommt. Dieses Gefährdungspotential kann beseitigt werden, wenn die muslimische Welt sich selbst von innen heraus - sei es mit Unterstützung aus dem Westen - kulturell reformiert. Eine Reform der islamischen Welt liegt im Interesse beider Seiten.
Vier Fallstudien aus der somalisch-islamischen Praxis
Im Jahre 1992 sollte ich von meinem Vater mit einem in Kanada lebenden Mann verheiratet werden, der demselben Clan angehörte wie ich. So heftig ich mich auch gegen die Pläne meines Vaters sträubte, er hielt an seinem Beschluß fest. Auf dem Weg nach Kanada nutzte ich bei der Zwischenlandung in Deutschland die Chance, vor meiner Familie in die Niederlande zu flüchten. Ich kam in das Asylbewerberheim in Zeewolde. Hier war ich die einzige, welche die Geschichte ihrer Flucht auf englisch erzählen konnte. Zwei somalische Mädchen, die im selben Bungalow wie ich untergebracht wurden, baten mich, sie zum Büro der staatlichen Flüchtlingshilfe zu begleiten und als Dolmetscherin zu fungieren. Dabei ist es nicht geblieben; schon bald begleitete ich die Mädchen überallhin. Sie hatten Läuse, also mußten wir auch zum Gesundheitsamt. Außerdem begleitete ich sie zur Ausländerbehörde, zur Rechtsberatungsstelle, zu den Sozialarbei tern. Weitere Asylanten aus Somalia wurden auf mich aufmerksam. Nachdem ich eine Zeitlang gedolmetscht hatte, rieten mir die Sozialarbeiter, dies in Zukunft berufsmäßig zu tun. Bislang hatte ich es unentgeltlich gemacht, während professionelle Dolmetscher viel Geld verdienen. Zu Beginn war mein Niederländisch noch nicht gut genug. Ich dolmetschte
Somalisch - Englisch. Dafür bekam ich kein Geld. Die Sozialarbeiter hatten eine Lösung für mich parat: »Fang auf niederländisch an, wenn es nicht läuft, machen wir einfach auf englisch weiter.«
Im Jahr darauf, 1993, verließ ich das Asylbewerberheim und bewarb mich beim niederländischen Dolmetscherzentrum in Utrecht. Obwohl ich bei den Prüfungen gut abschnitt, wollte man erst nach drei Jahren Aufenthalt in den Niederlanden wieder auf mich zukommen. Als ich merkte, daß immer mehr Somalier in die Niederlande kamen, habe ich mich an den Immigrations- und Einbürgerungsdienst (IND) gewandt. Da dieser mich in sein Verzeichnis freiberuflicher Dolmetscher aufnahm, hatte ich nun mehr als genug zu tun. Von 1995 bis 2001 arbeitete ich als Dolmetscherin. In Dutzenden von Fällen ging es um Männer oder Frauen, die an einer ansteckenden Krankheit (AIDS, Syphilis, Gonorrhöe, Chlamydia und so weiter) litten,
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