Ich klage an
denken. Die wenigen Muslime, die sich ihre Individualität bereits erkämpft haben, können der Gemeinschaft, der sie entstammen, einen Spiegel Vorhalten. Einen Spiegel, der die anderen Mitglieder der Gemeinschaft mit ihrer noch nicht herangereiften Individualität konfrontiert. Mit einem »Ich«, das von den Dogmen, Vorschriften und der erstickenden Tratschkultur, wie sie in den meisten islamischen Gemeinschaften herrscht, ständig unterdrückt und eingeschränkt wird. Emanzipation bedeutet nicht, die Gemeinschaft der Gläubigen aus der Macht äußerer, böser Kräfte -wie des Kolonialismus, des Kapitalismus, der Juden oder der Amerikaner - zu befreien oder sie vor ihnen zu schützen, sondern die Befreiung des Individuums aus eben jener Gemeinschaft. Um sich als Individuum zu befreien, muß jeder - Mann oder Frau - zuerst eine andere Einstellung zur Sexualität entwickeln.
Wie kann die islamische Kultur die Rückständigkeit, in der sie sich befindet, am besten überwinden? Indem sie die Schuld an dieser Rückständigkeit nicht länger bei anderen sucht, sondern selbst anders zu denken beginnt. Die herrschende Sexualmoral muß genauestem analysiert werden. Anschließend muß überprüft werden, in welchem Verhältnis die vorgeschriebene Moral zur alltäglichen Praxis steht. Wie viele Menschen schaffen es, der Norm zu entsprechen, unberührt und rein in eine Ehe zu gehen, wie Allah es will? Wir kennen die exakt vorgeschriebenen Regeln des Korans für den Umgang der Partner miteinander und die Traditionen des Propheten Mohammed. Aber wie gehen Männer und Frauen wirklich miteinander um? Inwiefern sind Gewalt in der Familie und Gewalt gegen Frauen unerwünschte Folgen des Strebens nach einem unerreichbaren Ideal, nämlich einen schönen Platz im Jenseits zu erobern? Ist die Überbevölkerung in den islamischen Ländern eine direkte Folge der gegenwärtigen Sexualmoral? Gilt dies auch für das Tabu, mit dem Geschlechtskrankheiten - insbesondere AIDS - in diesen
Ländern belegt sind? Und für die wachsende Zahl der Abtreibungen bei Muslimas im Westen?
Statt ihre ganze Energie und ihr ganzes Geld in die Entwicklung einer noch größeren Atombombe zu stecken - wie dies Pakistan und der Iran tun -, vielleicht um noch schneller ins Jenseits zu gelangen, täte die islamische Welt besser daran, die eigene Sexualmoral und die erstickende Rolle der eigenen Gemeinschaft kritisch unter die Lupe zu nehmen und Vorschläge für eine Veränderung zu entwickeln.
Es besteht also Bedarf an wissenschaftlichen Studien, auch wenn diese allein nicht ausreichen. Um eine Änderung der Verhaltensmuster großer Menschengruppen herbeizuführen, sind mutige kulturelle Reize von grundlegender Bedeutung. Nahezu alle Bücher, die Muslime über den Islam verfassen, sind Lehrbücher und Anleitungen, wie sich ein Muslim den Vorschriften des Korans und der Hadith zufolge zu verhalten hat. Theologische Abhandlungen mit einem geringen Anteil an eigener Kreativität. Daneben gibt es natürlich auch Romane von Muslimen über Liebe, Politik und Verbrechen. In ihnen wird die Rolle des Islam und des Propheten Mohammed aber peinlich ausgeklammert. Der moralische Unterton ist immer der, daß man die religiösen Vorschriften einhalten muß, weil es sonst böse mit einem endet. Die meisten muslimischen Seifenopern, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt über Satellit die ganze Welt erreichen, haben nicht nur gemein, daß in ihnen eine schlechte schauspielerische Leistung geboten wird, sondern auch, daß die Beziehungen zwischen den Hauptpersonen nach Schema F gestrickt sind und der islamischen Sexualmoral entsprechen. Die Botschaft lautet: Wenn sich ein junger Mann und ein junges Mädchen aus Verliebtheit füreinander entscheiden, wird es böse mit ihnen enden. Finden sie hingegen zueinander, weil ihre Familien sie mitein-ander verkuppelt haben, gibt es ein Happy-end; dann erreicht das Glück seinen Höhepunkt in einer wunderschönen Hochzeit mit viel Gold und Freudentränen.
Was die muslimische Kultur statt dessen braucht, sind Bücher, Seifenopern, Gedichte und Lieder, die beschreiben, wie das Leben wirklich ist, und die sich lustig machen über religiöse Vorschriften, wie sie beispielsweise in Büchern wie Sitten und Bräuche im Islam und Handbuch für die islamische Erziehung Vorkommen. Das Buch Ein flüchtiger Blick in die Hölle, in dem steht, was uns im Jenseits erwartet, könnte in einem Film wunderbar parodiert werden. Sobald ein Leben des Brian mit
Weitere Kostenlose Bücher