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Ich klage an

Titel: Ich klage an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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beziehungsweise um Frauen, die ungewollt schwanger geworden waren. Bei Neuankömmlingen aus Ländern der Dritten Welt, in denen Sexualität mit einem Tabu belegt ist, kommt es sehr viel häufiger zu ungewollten Schwangerschaften als in Gesellschaften mit freizügigeren sexuellen Ansichten wie den Niederlanden.
    Nachfolgend vier Beispiele aus meiner beruflichen Praxis als Dolmetscherin.
    »Ich bin nicht schwanger, ich bin Jungfrau«
    Eine neunzehnjährige Somalierin kommt mit Beschwerden zum Gesundheitsdienst des Asylbewerberheims in VGraven-d ee L Ein Arzt untersucht ihren Urin und stellt dabei fest, daß sie schwanger ist. Um ihr das mitzuteilen, bittet er mich, am Telefon für ihn zu dolmetschen.
    Die junge Frau erschrickt und bricht in Tränen aus. Durchs Telefon höre ich, wie sie weint und nach Worten ringt. Sie ist völlig verzweifelt. Wenn ich nur daran denke, läuft mir wieder eine Gän sehaut den Rücken hinunter.
    Dann sagt sie: »Das kann nicht sein, ich bin Jungfrau, ich bin nicht schwanger.« Sie will es einfach nicht wahrhaben. Sie sagt, sie könne beweisen, daß sie Jungfrau sei. »Ich bin zugenäht.« Sie könne es nicht mit einem Mann getan haben, da die zugenähte Stelle nicht beschädigt sei.
    Der Arzt versucht sie zu beruhigen und verspricht ihr, eine zweite Urinprobe zu nehmen.
    Kurze Zeit später ruft er mich wieder an. Mit dem gleichen Ergebnis. Der Arzt informiert die junge Somalierin, daß er ihren Urin erneut untersucht habe und sie tatsächlich schwanger sei. Er fragt sie, ob sie denn nicht aufgeklärt worden sei. Sie erwidert: »Was hätte das denn für einen Sinn gehabt? Ich sollte schließlich als Jungfrau heiraten.«
    Sie erzählt, daß sie sich erst seit einem Monat in den Niederlanden aufhalte. Ein junger somalischer Mann, der schon viel läng e r hier lebe und Niederländisch spreche, habe ihr bei allen Fragen geholfen. Außerdem habe er sie wiederholt zu ihrem Rechtsanwalt begleitet. Eines Tages habe er sie und zwei somalische Freundinnen nach Dordrecht zu sich nach Hause eingeladen. Dort habe er versucht, sie zu verführen. Er habe s ie mit in sein Schlafzimmer genommen und die beiden Freundinnen im Wohnzimmer warten lassen. Er habe mit ihr ins Bett gewollt und sie ausgezogen. Er habe ihr versprochen, si«e nicht zu entjungfern. Ständig habe er wiederholt, daß er ili r schließlich geholfen habe und sie ihm nun zu Willen sein müsse.
    Der Arzt muß ihr jedes Wort aus der Nase ziehen. Sie erzählt ihm, der junge Mann sei nicht in sie eingedrungen, sondern habe nur sein Glied auf ihr hin und her bewegt. Es sei ihm zwar auf ihr gekommen, aber die zugenähte Stelle sei dabei nicht beschädigt worden. Ihrem und seinem Empfinden nach sei sie Jungfrau geblieben.
    Der Arzt erklärt ihr, wie eine Frau schwanger wird und daß dazu ein Mann und eine Frau erforderlich sind. Er fügt hinzu, daß manche Frauen fruchtbarer sind als andere und es in jedem Zyklus fruchtbare und weniger fruchtbare Zeitabschnitte gibt. Sie habe insofern Pech gehabt, als sie zum fraglichen Zeitpunkt sehr fruchtbar gewesen sei und damit von möglicherweise einem einzigen Samentropfen schwanger geworden sei.
    Aus ihren Reaktionen geht hervor, daß sie von Geschlechtsverkehr und Fortpflanzung nicht die geringste Ahnung hat.
    Der Arzt erklärt ihr, welche Möglichkeiten sie nun hat: Sie kann das Kind behalten, sie kann sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, oder sie kann das Kind zur Adoption freigeben.
    Die junge Frau ist völlig fassungslos. »Ich bin doch erst seit einem Monat hier«, ruft sie hysterisch, »ich kann das nicht. Meine Familie hat sehr viel Geld gespart, um mir die Reise in die Niederlande zu ermöglichen, und jetzt bedanke ich mich bei ihr auf diese Art und Weise. Ich habe Schande über meine Familie gebracht. Das ist unverzeihlich. Ich muß untertauchen.«
    Als der Arzt sie auf die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs hinweist - die Frucht ist schließlich noch ganz jung -, sagt sie: »Nein, nein, nein, ich habe bereits die Gnade meiner Familie verspielt, da kann ich nicht auch noch die Gnade Allahs verspielen, indem ich mein Baby ermorde.«
    Abtreiben lassen will sie auf keinen Fall. Davon will sie nichts hören. »Sonst muß ich in der Hölle schmoren.«
    Im Islam stellt eine außereheliche Schwangerschaft zwar eine große Schande für die Familie dar, doch in Allahs Augen ist selbst dann noch nicht alles verloren. Eine Abtreibung, das Töten eines unschuldigen Kindes, ist

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