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Ich klage an

Titel: Ich klage an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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die Politik zahlreicher westlicher Regierungen, die auf den Erhalt dieser Gruppenkulturen ausgerichtet ist, in Konflikt mit ihrer Verfassung: Schließlich sind darin die Prinzipien der Freiheit des einzelnen und die Gleichwertigkeit von Mann und Frau verankert. Unter anderem kritisiert sie, daß die Multikulturalisten das Privatleben in den von ihnen verteidigten Kulturen vernachlässigen. Doch genau hier zeigen sich die Unterschiede in der Machtverteilung und die Unterdrückung der Frauen am deutlichsten.
    Letztendlich werden muslimische Frauen in den Niederlanden von der herrschenden westlichen Kultur, der die Mehrheit der Bevölkerung folgt, eher profitieren. Sie bietet ihnen gute Chancen, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Ich bin der lebende Beweis dafür. Deshalb fühle ich mich auch verantwortlich dafür, das demokratische System, dem ich persönlich so viel verdanke, zu erhalten und zu beschützen. Im Prinzip haben auch alle niederländischen Muslime dieselben Menschenrechte, doch überholte religiöse Ansichten hindern sie größtenteils, diese Rechte umzusetzen. Daß das hauptsächlich Frauen betrifft, erfüllt mich mit Sorge.
    Meiner Ansicht nach sollten die, die denselben Glauben haben wie die unterdrückten Frauen und die in der niederländischen Gesellschaft erfolgreich sind (ihre Zahl ist übrigens nicht sehr groß), sich mehr für ihre Schwestern und Brüder einsetzen. Ich möchte Frauen wie die Schriftstellerin Naima El Bezaz, die offen über Frauen und Sexualität schreibt, ermuntern, religiöse Barrieren zu überwinden und den Kult der Jungfräulichkeit (Koran, Fladith: Traditionen und die daraus folgenden Praktiken) in Frage zu stellen, anstatt die etablierte Tradition einfach weiter hinzunehmen. Das würde ihnen selbst und ihren Schicksalsgenossinnen nutzen, die bislang weniger Gelegenheit hatten, sich zu entwickeln. Ich erinnere Volksvertreter wie Khadija Arib, Nebahat Albayrak, Naima Azough und Fatima Elatik an ihre Verantwortung. Wir müssen Prioritäten setzen, das heißt, die wichtigsten Dinge zuerst zu erledigen. Weniger wichtige Themen wie »das Image des Islam« müssen deshalb zurückstehen. Ist die Vorstellung nicht absurd, Allah in all seiner Größe sorge sich um sein Image?
    Ich lade die Fürsprecher der multikulturellen Gesellschaft ein, sich mit den Leiden der Frauen vertraut zu machen, die im Namen der Religion zu Hause versklavt werden. Müssen sie erst selbst schlecht behandelt, vergewaltigt, eingesperrt und unterdrückt werden, damit sie sich in die Situation anderer hineinversetzen können? Ist es nicht Heuchelei, solche Praktiken zu verharmlosen oder zu tolerieren, während man selbst in Freiheit vom Fortschritt der Menschheit profitiert?
    Ministerpräsident Balkenende erinnere ich an sein Versprechen, das er im Vorfeld der Parlamentswahlen im Mai 2002 gegeben hat, daß eine multikulturelle Gesellschaft für ihn kein Ziel an sich sei. Was will er gegen die islamische Erziehung und all die anderen Organisationen tun, die zur eigenen Absonderung führen und so zur Fortdauer einer aussichtslosen Tyrannei über Frauen und Kinder beitragen? Oder waren seine Worte nur Wahlrhetorik?
    Geht effektiver gegen häusliche Gewalt vor
    In den Niederlanden kommen jedes Jahr durchschnittlich achtzig Frauen, vierzig Kinder und fünfundzwanzig Männer durch häusliche Gewalt ums Leben, doch der Staat weiß nicht genau, wie er darauf reagieren soll. Wenn diese häusliche Gewalt zudem kulturell geprägt ist, nimmt er erst recht eine abwartende Haltung ein und geht klaren Entscheidungen aus dem Weg.
    Absichtserklärungen der Regierung hat es in den vergangenen Jahren genug gegeben. Von der obligatorischen Mißbilligung und Verurteilung von Gewalt einmal abgesehen, wurden dem Parlament jahrelang Zusicherungen gemacht, wurden in schöner Regelmäßigkeit Untersuchungsberichte vorgelegt und auf Dutzenden von Symposien und Konferenzen Reden über häusliche Gewalt gehalten. Die genannten Zahlen stammen aus einem Bericht, den das letzte, inzwischen zurückgetretene Kabinett im März 2002 vorgelegt hat. Auf internationaler Ebene gelang es der niederländischen Regierung sogar, die Generalversammlung der Vereinten Nationen zu bewegen, eine Resolution über Ehrenmorde zu verabschieden, in der dazu aufgerufen wird, »derartige Straftaten mit gesetzgeberischen, bildungspolitischen, sozialen und anderen Maßnahmen aktiv zu verhindern und zu bekämpfen«. Das alles klingt nicht sehr

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