Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
elektrisierende Zunge drang in Bereiche vor, die Vivi niemals auf die Top Ten ihrer erogenen Zonen gesetzt hätte. Seiner Phantasie, was ungewöhnliche Stellungen betraf, waren keinerlei Grenzen gesetzt. Sie war nicht sonderlich gelenkig und rechnete mit einem kapitalen Muskelkater. Doch was war das schon gegen die Leidenschaft, die Richard in ihr entfachte?
Stunden später verließen sie das Bett nur, um sich etwas zu trinken zu holen. Vivi hatte einen köstlichen Chardonnay kalt gestellt, den Richard unnachahmlich elegant öffnete. Mit der Flasche und zwei Gläsern kehrten sie ins Himmelbett zurück. Es trug diesen Namen neuerdings zu Recht, war es doch Schauplatz nahezu überirdischer, ja himmlischer Freuden.
So ging es vier Wochen lang, die noch glücklicher wurden als die Anfangsphase zarten Werbens. Von fern nahm auch Ela an dem jungen Glück teil. Sie wurde von Vivi regelmäßig auf dem Laufenden gehalten und steuerte im Gegenzug sachdienliche Hinweise bei, wie man einen Mann um den Verstand brachte. Was erregende Ölmassagen und gepflegte Blow Jobs betraf, war Ela eine echte Expertin. Vivi wiederum war eine eifrige Schülerin und genoss es, sich im Bett völlig vergessen zu können.
Ein-, zweimal die Woche kam Richard nun nach Wiesbaden, und jedes Mal war es ein Fest. Er verwöhnte Vivi mit kleinen Geschenken, mit Blumen, Schokolade und Parfum. Sogar Tiger bedachte er weiterhin mit Aufmerksamkeiten, besorgte ihm einen wolligen Ball und kraulte ihn ausgiebig, wenn sie gemeinsam auf der Couch saßen. Als Richard ihr eine zarteSilberkette mit einem Aquamarinanhänger überreichte, stand für sie fest, dass er ernsthafte Absichten verfolgte. Tag und Nacht trug sie die Kette, das Unterpfand ihrer Liebe.
Selbst als die Leidenschaft etwas abebbte, machte ihr das nichts aus. Sosehr sie ihre neu erwachte erotische Begierde berauschte, am wichtigsten war ihr das Danach. Sie war süchtig nach diesen Momenten der Nähe. Richard gehörte nicht zu der Sorte Männer, die sich nach dem Höhepunkt kommentarlos umdrehen und in der Nase bohren. Stundenlang hielt er sie im Arm, stundenlang redeten sie.
Ja, mit Richard konnte man wirklich über alles reden. Zwar wusste Vivi so gut wie nichts über Wagner-Opern, Klimawandel oder Bruttosozialprodukte, dennoch genoss sie diese Gespräche. Sie scheute sich nicht einmal, sperrangelweit klaffende Bildungslücken preiszugeben. Dafür hatte sie ja Richard. Mit seiner sonoren Stimme erklärte er ihr die Welt. Obwohl es eine schallende Ohrfeige ins Gesicht des Feminismus war: Vivi wollte einen Mann bewundern. So war sie nun mal gestrickt. Und Richard eignete sich bestens dafür.
Auch an jenem Dienstagabend im Spätsommer lagen sie wieder einmal vereint im Himmelbett und gaben sich der Konversation hin. Was hieß, dass Richard dozierte, während sich Vivi selig an ihn schmiegte. Als sie Wein nachschenkte, einen vorzüglichen Sancerre, beobachtete sie, wie sich seine Miene plötzlich verfinsterte. Besorgt sah sie ihn an.
»Was ist? Hattest du Ärger im Job?«
Er zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch und trank einen Schluck. Ohne Brille und mit seinem verstrubbelten Haar sah er noch hinreißender aus als sowieso schon. Wie ein frecher kleiner Lausbub, fand Vivi.
»Ärger ist vielleicht, nun ja, das falsche Wort«, sagt er zögernd. »Ich muss eine Entscheidung treffen. Eine sehr schwierige Entscheidung.«
Vivi war im Nachdieseln seiner Liebeskünste schon halb weggedämmert, doch nun wurde sie hellwach.
»Erzähl«, forderte sie ihn auf. »Worum geht es?«
Seufzend zog er seine schöne Stirn in Falten. »Ich spiele mit dem Gedanken, mich in Wiesbaden niederzulassen. Es gefällt mir hier, und die Nähe zum Finanzzentrum Frankfurt ist für mich als Unternehmensberater ideal. Jetzt, wo ich dich kennengelernt habe, gibt es natürlich ein weiteres starkes Argument.«
Er beugte sich über Vivi und küsste ausgiebig ihren Bauchnabel.
»Das ist ja großartig«, sagte sie, während seine kundige Zunge ihr neues Lustzentrum umkreiste. Richard hatte es in der Nacht zuvor mit einer Entdeckerfreude gefeiert, gegen die Kolumbus ein müder Pauschalreisender war. »Wo ist das Problem?«
Er ließ von ihrem Bauchnabel ab und rieb sich die Stirn. »Dummerweise ist gestern mein Kompagnon abgesprungen. Daher fehlt das Kapital für die Verlegung meines Hamburger Büros. Meine Geschäfte in Frankfurt sind abgeschlossen. Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als zurück nach Hamburg zu gehen.«
Der
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