Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
auch harmlose kleine Hausfrauen helle Momente haben. So weit, so schlecht, denn jetzt hatte Vivi ein Problem. Zwei Probleme, genauer gesagt: Transport und Entsorgung. Und in diesem sehr speziellen Fall kamen weder ein Kurierdienst noch die städtische Müllabfuhr in Frage. Diese Herausforderung musste sie ganz allein meistern. Aber sie hatte vorgesorgt.
Ohne lange zu überlegen, holte sie das abgeliebte Satinlaken aus dem Schlafzimmer und breitete es auf dem Boden neben dem Esstisch aus. Vorsichtig schubste sie den reglosen Körper an, der sich zur Seite neigte und punktgenau auf dem Stoff landete. Dann wickelte sie sich einen Zipfel des Lakens um die rechte Hand und zog.
Richard war verdammt schwer, schwerer, als sie erwartet hatte. Vivi war nie die Sportlichste gewesen, ihre Muskelmasse war begrenzt. Doch die grausigen Umstände verliehen ihr Bärenkräfte. Tiger, der diese Aktion mal wieder für ein neues Spiel hielt, hüpfte geschmeidig über Richards Leiche hinweg, als sei das eine besonders originelle Zirkusnummer.
Vivi keuchte, als sie es bis zur Küche geschafft hatte. Von dort zog sie ihre Last durch die Verbindungstür in die Garage und öffnete den rechten Wagenschlag. Mit letzter Energie hakte sie die Leiche unter, um sie auf den Beifahrersitz zu wuchten.
Nun kam das Klebeband zum Einsatz. Sie verbrauchte fast alle drei Rollen, bis Richard in aufrechter Haltung an der Rückenlehne festgezurrt war. Um keinen Verdacht zu erregen, legte sie ihm eine Wolldecke um und setzte ihm ein graukariertes Hütchen von Werner auf, das sie in der Garage gefunden hatte. Es würde eine ziemlich abgefahrene Reise werden.
Bevor sie startete, leerte sie Richards Reisetasche. Als Erstes zerriss sie die Bankvollmachten und verbrannte sie. Das Handy wurde ein weiteres Opfer der Brotschneidemaschine. Dann sortierte sie alle persönlichen Dinge aus und legte sie in die Tasche zurück. Das Geld würde sie später zählen. Sie stopfte es in drei Plastiktüten, die sie im Keller hinter einem Weinregal verstaute.
Ob das eine gute Idee war? Was, wenn Einbrecher kamen? Oder das Haus abbrannte? Sie holte die Tüten wieder hervor. Wirklich sicher war das Geld nur auf der Bank. Aber konnte sie das Wagnis eingehen? Vivi konnte. In ihrer Handtasche lag noch die Visitenkarte von Herrn Helmholtz. Sie rief ihn auf dem Handy an, denn es war mittlerweile halb sieben, und die Bank hatte schon geschlossen. Es sei äußerst dringend, beteuerte sie. Sie müsse ihn sofort sprechen. Dann stellte sie Tiger das Abendessen hin und stieg in den Wagen.
Eine Viertelstunde später parkte Vivi vor der Bankfiliale. Das Blut rauschte in ihren Ohren, ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sie musste vollkommen wahnsinnig sein, solch ein Risiko einzugehen. Aber die Angst, ihr Geld ein zweites Mal zu verlieren, war stärker als alle Bedenken. Sie sah zu Richard. Ziemlich gerade saß er da, nur der Kopf hing seitlich herunter, und die Brille saß schief. Das Hütchen stand ihm ganz ausgezeichnet.
Vivi bekam fast einen Herzinfarkt, als Herr Helmholtz an die Windschutzscheibe klopfte. Mit weichen Knien stieg sie aus.
»Danke, dass Sie für mich da sind«, begrüßte sie ihn im Flüsterton und deutete auf Richard. »Herr von Hardenberg schläft, er hatte einen anstrengenden Tag.«
Neugierig spähte der Bankberater in den Wagen.
»Er ist sehr tüchtig, wissen Sie«, redete Vivi hektisch weiter. »Die gute Nachricht ist, dass er mein Darlehen nicht braucht. Sein Kompagnon ist eingesprungen, deshalb wollten wir Ihnen das Geld zurückbringen.«
Wolfram Helmholtz strahlte. »Offen gestanden fällt mir ein Stein vom Herzen, Frau Bernburg. Ganz wohl war mir bei der Sache nicht.«
»Ihre Sorge war vollkommen unbegründet«, erwiderte Vivi lässig, während sie zum Kofferraum ging. »Auf Richard von Hardenberg ist Verlass.«
Sie holte die Tüten mit dem Geld aus dem Kofferraum und drückte sie dem Bankangestellten in die Hand. »Könnte ich vielleicht eine Quittung haben?«
»Selbstverständlich. Wenn Sie mir bitte folgen würden …«
Mit einer Chipkarte öffnete Herr Helmholtz die Glastür der Bankfiliale sowie das Rollo, das den Selbstbedienungsbereich von den Schalterräumen abtrennte. Vivi saß wie auf glühenden Kohlen, als er ein Geldbündel nach dem anderen von der Banderole befreite und in eine Geldzählmaschine steckte. Doch das rhythmische Rattern des Apparats war Musik in ihren Ohren.
»Money, money, money, always sunny in the rich man’s world!« , hörte
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