Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
herum, auf der Suche nach einem passenden Platz, dann parkte sie direkt am Ufer. Inzwischen war es stockdunkel geworden. Die Gegend wirkte unwirtlich und verlassen, kein Mensch war zu sehen. Nur ein hell erleuchtetes Ausflugsschiff glitt auf dem Fluss vorbei.
Nun begann der gefährlichste Teil ihrer Mission. Streifen für Streifen löste sie die Klebebandreste von dem leblosen Körper. Sie setzte Richard die Brille auf, nahm ihm das Hütchen ab, stieg aus dem Wagen und öffnete die Beifahrertür. Mit letzter Kraft schleifte sie ihn zum Rand der Kaimauer.
Einmal noch betrachtete sie ihn. Da war keine Wut mehr, nur noch Bedauern. Wie sehr hatte sie diesen Mann geliebt. Alles hätte sie ihm gegeben, wirklich alles. Sanft strich sie ihmüber das dunkle Haar. Plötzlich übermannte sie eine Welle der Zärtlichkeit.
»Das hätte was werden können mit uns«, flüsterte Vivi. »Was ganz Großes.«
Bittere Tränen rannen über ihre Wangen, Tränen der Reue und des schlechten Gewissens. Warum war ihr Leben aus den Fugen geraten? Warum tat sie schreckliche Dinge, die sie gar nicht wollte?
Sie rieb sich eine letzte Träne aus dem Augenwinkel. Dann überließ sie ihre große Liebe den Fluten des Rheins, in denen André Kowalski samt Richard von Hardenberg und seiner Reisetasche lautlos versank.
»Hinter dem Horizont geht’s weiter« , sang sie mit ersterbender Stimme in die Dunkelheit hinein.
Kapitel sechs
Ein hartnäckiges Läuten an der Haustür ließ Vivi aufschrecken. Völlig zerschlagen war sie in der Nacht nach Hause gekommen und mit Tiger im Arm auf der Couch eingeschlafen. Wieder läutete es, diesmal Sturm, was Tiger dazu veranlasste, sich unter dem Sofa zu verkriechen.
Vivi rutschte das Herz in die Hose. Ogottogott. War alles rausgekommen? Verhaftete man sie jetzt? Sie sah auf die Uhr. Kurz vor zehn. Kamen Polizisten nicht im Morgengrauen?
Auf Zehenspitzen schlich sie zur Haustür und lugte durch den Spion. Doch es war nicht die Polizei, nur der Postbote. Aufatmend öffnet sie ihm.
»Guten Morgen! Ein Einschreiben für Sie, Frau Bernburg. Wenn Sie mir bitte da unten ein Autogramm geben würden …«
Selten hatte der Anblick des Briefträgers Vivi so gefreut. Wie im Zeitraffer hatte sie alles schon vor ihrem inneren Auge gesehen: die gestrengen Polizeibeamten, die Schmach, unter den Augen der Nachbarn abgeführt zu werden, das schreckliche Gefängnisessen.
Für einen Profi wäre es sicherlich ein Leichtes, mir auf die Schliche zu kommen, überlegte sie, während sie zurück ins Wohnzimmer wankte. Vivi hatte genügend Jahre fernsehend an der Seite ihres Gatten verbracht, um sich mit allen Raffinessen moderner Ermittlungsmethoden auszukennen. Wenn die CSI-Leute ernst ihre DNA-Proben schüttelten und sich dann auf dem Computer das Bild des Täters aufbaute, hatteimmer ein Hauch Zaubertrick in der Luft gelegen. Simsalabim, so sieht er aus, der Mörder.
Mit dem Umschlag in der Hand ließ sie sich auf die Couch fallen. Was ihre DNA-Spuren betraf, musste Richard alias André Kowalski eine Fundgrube sein: Speichelreste auf den Lippen und an anderen delikaten Stellen, Hautfetzen unter den Fingernägeln, mit denen er lustvoll ihren Rücken zerkratzt hatte. Und natürlich ein Cocktail aus Körpersäften rund um sein bestes Stück. Die CSI-Crew hätte aus dem Vollen schöpfen können.
Aber erstens war Vivis DNA in keiner Datenbank gespeichert, und zweitens hoffte sie, dass die Wasser des Rheins alle verräterischen Spuren fortspülen würden. Wenn Richard, wie sie ihn immer noch nannte, je wieder auftauchte, würde er rein wie ein frisch gebadetes Baby sein. So jedenfalls stellte sie sich das vor. Armer Richard. Verdammt, warum sehnte sie sich nach ihm? Und warum bedauerte sie, was sie getan hatte?
Grübelnd saß sie da, als ihr Blick auf den Brief fiel, den sie auf den Couchtisch geworfen hatte. Vivi wollte ihn schon zu den anderen Briefen auf den Stapel legen, als sie den Absender las. Alarmiert riss sie den Umschlag auf. Das Schreiben kam vom Gericht. Sie wurde aschfahl, während sie sich durch das gestelzte Amtsdeutsch arbeitete. Werners Kinder hatten doch tatsächlich den Prozess gewonnen!
Sie konnte es nicht fassen. Dabei hatte Berthold Seitz ihr versichert, dass alles gutgehen würde. Vivi verstand die Welt nicht mehr. Sie begriff nur eines: Damit drehten Hans-Peter und Inge-Gundula ihr unwiderruflich den Geldhahn zu. Zack, fertig, aus die Maus. Das Reihenhaus, ihr geliebtes Elternhaus, war verloren. Alles,
Weitere Kostenlose Bücher