Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Ihre Armbanduhr zeigte halb fünf. Vermutlich war er schon auf dem Weg zum Flughafen. Jetzt war Tempo angesagt.
In Windeseile stürzte sie die Treppe hinunter und holte ihr Handy aus der Handtasche. Tapfer zwang sie sich ein Lächeln ins verweinte Gesicht. Angeblich hörte man ja sogar am Telefon, ob jemand lächelte. Auf keinen Fall durfte sie traurig oder gar panisch klingen. Mit schweißnassen Fingern wählte sie Richards Nummer.
»Liebling«, tönte es ihr zuckersüß entgegen. »Wie nett, dass du noch mal anrufst!«
Das Lächeln tat weh, doch sie schaffte es. Stell dich blond, redete sie sich gut zu.
»Richard, mein Schatz, ich glaube, du hast deine Brieftasche bei mir vergessen. Ich wollte natürlich nicht indiskret sein und hineinschauen, aber ich vermute doch stark, dass sie dir gehört. Und dass dein Ausweis darin ist. Den brauchst du doch, wenn du fliegst, oder?«
Ein paar Sekunden lang hörte sie nur Richards Schnappatmung. Es hatte ihm doch tatsächlich die Sprache verschlagen, ihm, dem Virtuosen der schönen Worte.
»Richard? Schatzi?«
»Ähmmm, könntest du mir die Brieftasche zum Flughafen bringen? Ich bin schon unterwegs und spät dran.«
Nee, das kam überhaupt nicht in die Tüte. So nicht, André Kowalski aus der Mathildenstraße 6!
»Tut mir leid, aber seit dem Essen hänge ich nur noch über der Kloschüssel. Ich habe mir wohl den Magen verdorben. Du müsstest schon vorbeikommen, notfalls kannst du ja umbuchen.«
Wieder hörte man nichts weiter als den flachen Atem des Mannes, der ihr noch vor ein paar Stunden alles bedeutet hatte.
»Shit«, fluchte er schließlich. »In einer halben Stunde bin ich bei dir.«
»Abgemacht, mein Hase«, säuselte Vivi. »Bestimmt geht es mir später schon viel besser, und ich kann dich zum Flughafen bringen.«
Sie legte auf. Im Badezimmer gurgelte sie ausgiebig mit Mundwasser, um den schlechten Geschmack auf ihrer Zunge loszuwerden. Sie rieb sich mit einem feuchten Waschlappen die verlaufene Wimperntusche aus dem Gesicht. Dann hetzte sie los. Es gab etwas zu erledigen.
Unruhig stand Vivi hinter der Küchengardine und beobachtete die Straße. In der Mikrowelle kreiste eine Riesenportion Chili con Carne, ein Gericht, von dem es einen reichlichen Vorrat in der Tiefkühltruhe gab. Es war Werners Leibspeise gewesen.
Endlich bog ein Taxi um die Ecke und hielt mit quietschenden Reifen. Ihr gebeuteltes Herz schlug einen Salto, als Richard ausstieg und mit langen Schritten den Vorgarten durchquerte, mitten durch Vivis gepflegte Rosenbeete. Er trampeltauf meinen Rosen herum wie auf meinen Gefühlen, dachte sie erbittert. Hölle, Hölle, Hölle!
Er klingelte Sturm. Vivi lief zur Haustür und öffnete.
»Liiiebling!« Juchzend warf sie sich in seine Arme.
»Wo ist meine Brieftasche?«, fragte er, während er sich grob losmachte. Von seinem Charme war nicht mehr viel übriggeblieben. Auch Tiger, der sich erwartungsvoll genähert hatte, würdigte er keines Blicks.
»Liegt auf dem Esstisch«, antwortete Vivi mit ihrem unschuldigsten Augenaufschlag.
Beiläufig musterte sie Richards pralle Reisetasche, die ganz ausgebeult von den vielen Geldbündeln war. Und wenn sie nun mit ihm redete? Ganz vernünftig? Ihr Instinkt sagte ihr leider, dass er das Geld nicht freiwillig rausrücken würde. Er hatte Wochen in seine Beute investiert, ganz abgesehen von den Blumen, den Einladungen und den Reisespesen. Richard war heimtückisch und skrupellos. Man durfte ihn nicht unterschätzen.
Währenddessen war er an ihr vorbei ins Esszimmer gestürmt. Vivi folgte ihm und sah gerade noch, wie er die Geldbörse in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Er trug einen todschicken dunkelgrauen Anzug, ein roséfarbenes Hemd und eine passende Seidenkrawatte. Das Outfit war funkelnagelneu. Offensichtlich hatte er sich zunächst einmal eingekleidet. Von ihrem Ersparten.
»So eine dumme Sache«, blaffte er. »Hab den Flieger verpasst. Der nächste geht erst um acht.«
Das war nichts Neues für Vivi. Sie hatte schon im Internet alle verfügbaren Flüge gecheckt. Die von Frankfurt nach Köln, versteht sich.
»Machen wir das Beste daraus«, sagte sie leichthin. »Bestimmt bist du hungrig, hast ja heute Mittag kaum etwas gegessen. Ich habe Chili con Carne gekocht, etwas Kräftiges und schön scharf.«
Zaudernd stand Richard vor ihr und betrachtete seine blankgewienerten, handgenähten Schuhe, die ebenfalls neu waren. Offenbar wagte er nicht, Vivi in die Augen zu sehen; am liebsten wäre
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