Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
warten.
Grimmig zerknüllte Vivi den Brief und warf ihn Tiger zu, der sich begeistert auf das neue Spielzeug stürzte. Ein paar Minuten später waren nur noch Fetzen übrig. Stolz auf seinen Sieg, schmiegte er sich an Vivi.
»Ja, mein Tigerchen«, flüsterte sie, »gut gemacht. Wir bleiben hier, und keiner darf uns vertreiben.«
Am Montagmorgen trat sie wieder ihren Dienst im Hotel an. Die Stimmung war noch gedrückt wegen des Vorfalls mit Mick Dresens Kreditkarte, doch zum Glück schien nach wievor niemand Vivi zu verdächtigen. Stattdessen redeten alle über den Toten, den Spaziergänger am Sonntag in der Nähe von Eltville gefunden hatten. Die Zeitungen waren voll davon. »Tod im Weinberg«, titelte ein örtliches Boulevardblatt. Die Polizei gehe von einem natürlichen Tod aus, da die Obduktion keinerlei verdächtige Ergebnisse gebracht hätte. Weder Gewalteinwirkung noch Giftstoffe habe man feststellen können.
Auch auf Elas Schreibtisch lag die Zeitung, als Vivi in der Mittagspause bei ihr vorbeischaute.
»Hast du’s schon gelesen?« Ela deutete auf die Titelzeile. »Du kanntest doch diesen Seitz, oder? War das nicht der Rechtsverdreher, der dir an die Wäsche wollte?«
»Stimmt, und er war ein enger Freund von Werner«, erwiderte Vivi mit Grabesstimme. »Ist schon etwas unheimlich, finde ich. Die alten Knaben fallen um wie die Fliegen.«
»Ach was«, wiegelte Ela ab. »Diese Knatterkerle müssen eben irgendwann mal abtreten. Ist doch eigentlich ein schöner Tod, Herzstillstand im Grünen. Besser, als jahrelang dahinzusiechen.«
»Ja, ein schöner Tod«, murmelte Vivi. »So mitten in den Weinbergen.«
Die Beerdigung zwei Tage später war eine ziemlich deprimierende Angelegenheit. Abgesehen von zwei Kegelbrüdern in bunten Jogginganzügen war außer Vivi keine Seele erschienen. Von wegen gesellschaftliche Stellung. So gut wie keiner wollte Berthold Seitz das letzte Geleit geben, was auf einen eklatanten Mangel an Beliebtheit schließen ließ.
Nicht, dass Vivi sonderlich darüber erstaunt war. Bertholdsdünkelhafte Attitüde hatte zuletzt nur noch Werner ertragen, der in zwischenmenschlichen Dingen vollkommen schmerzfrei gewesen war. Ein Soziopath wie der gute Berthi musste sich wahrlich nicht wundern, dass er derart sang- und klanglos verscharrt wurde. Nicht einmal ein bezahlter Leichenredner war anwesend. Und sobald klar war, dass es weder eine Tasse Kaffee noch ein Stückchen Kuchen, geschweige denn einen Leichenschmaus geben würde, verdrückten sich die beiden Kegelbrüder in die nächste Kneipe, noch bevor der Sarg das Grab erreichte.
»Ciao, werter Berthold«, flüsterte Vivi, als die Herren vom Bestattungsinstitut begannen, das Grab zuzuschaufeln. »Das wäre sowieso nix geworden mit uns beiden.«
Sie legte eine weiße Rose neben den Grabstein. Dann schlenderte sie gedankenverloren über den Friedhof, bis sie auf einmal vor einem weißen Marmorengel stand. Werner Bernburg , stand in den Sockel eingemeißelt, und: Nichts in diesem Leben ist sicher, außer dem Tod und den Steuern . Vivi hatte das Zitat von Benjamin Franklin passend gefunden für einen dahingeschiedenen Steuerberater.
»Was hast du bloß angerichtet, Werner Bernburg?«, fragte sie den Erdhügel, auf dem Stiefmütterchen und Azaleen blühten. »Wieso machst du es mir so verdammt schwer?«
Sie wartete keine Antwort ab, sondern machte auf dem Absatz kehrt. Die morbide Atmosphäre des Friedhofs ertrug sie nicht länger. Schwarz stand ihr gut, doch von nun an würde sie alles tun, um weitere Beerdigungen zu vermeiden.
Hans-Peter und Inge-Gundula willigten sofort in Vivis Angebot ein, ihnen das Haus abzukaufen. Für einen deutlich übersteigertenPreis. Vivi wollte auf Nummer sicher gehen und kannte schließlich die Geldgier dieser Aasgeier. Bargeld lacht, war Hans-Peters Lieblingsspruch, seltsam genug, denn genau dasselbe hatte auch die Prostituierte gesagt, die Vivi nach Werners Tod in der Leitung gehabt hatte.
Sie ließ einen Tag verstreichen, bevor sie freinahm und nach Rotterdam fuhr. Bei einer ausgedehnten Surfrunde im Internet hatte sie herausgefunden, dass man dort ohne weitere Fragen auch größere Mengen Gold einschmolz. Die gestohlene Kette und die Armreifen waren überall in den deutschen Zeitungen abgebildet worden, aber in Rotterdam interessierte sich kein Mensch für lästige Details.
Der Deal war so unkompliziert wie einen Liter Milch kaufen. Es war 750er Gold, die oberste Kategorie bei Schmuck. Eine perfekte
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