Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Publikum war »gehoben«, wie Maximilian Sell vermutet hatte. Lauter nobel gekleidete Leute, denen man ansah, dass sie wohlhabend, kultiviert und begierig auf weitere Verfeinerungen ihres exklusiven Lebensstils waren. Vivi tippte auf Banker, Zahnärzte und Immobilienmakler. Die meisten hatten ihre Gattinnen mitgebracht, auch ein paar Singles schienen dabei zu sein. Manche kannten einander, begrüßten sich mit Küsschen und tauschten Urlaubserlebnisse von St. Moritz bis Acapulco aus. Schwere Parfumschwaden waberten durch die weitläufige Hotelküche. Vivi hatte den Eindruck, als ob dies eher eine Cocktailparty als ein Kochkurs werden würde.
Während alle durcheinanderschwatzten und die beeindruckende Profiküche mit ihren vielen blitzblanken Herden, Edelstahltöpfen und Arbeitsflächen aus Marmor bewunderten,zählte Vivi die Teilnehmer durch. Sie kam auf neunzehn. Einer fehlte noch. Sollte sie trotzdem anfangen?
Sie stand noch unschlüssig zwischen den Gästen, als die Schwingtür aufflog und Kommissar Petersen in die Küche spazierte. Das Herz rutschte Vivi bis in die Kniekehlen. Was wollte der denn hier? Wie ein Geschoss flog sie auf ihn zu, um ihn abzufangen.
»Herr Hauptkommissar, dies ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für ein Verhör«, zischte sie und ärgerte sich über die Schweißtröpfchen, die sie plötzlich auf ihrer Stirn spürte. »Wenn Sie wollen, komme ich nächste Woche in Ihr Büro. Hier ist ermittlungsfreie Zone!«
Jan Petersen musterte sie von oben bis unten. Vivi trug eine schwarze Jeans und eine weiße, mit Teflon beschichtete Kochjacke, die selbst beim Flambieren nicht Feuer fing. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, an ihren Ohren baumelten bunte Strassohrringe.
»Hübsch sehen Sie aus«, grinste er. »Und ich habe nicht die Absicht zu gehen, schließlich habe ich eine Menge Kohle für diesen Kurs hingelegt.«
Alles Blut wich aus Vivis Wangen. »Sie haben – was?«
»Einen Profikochkurs gebucht«, antwortete er. »I love cooking, wie für mich gemacht. Bin echt gespannt.«
Das war ja wohl die Höhe! Vivi sah ihn finster an. »Reine Routine, was? Fällt das etwa auch unter Umfeldrecherche?«
»Das nennt man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen«, erwiderte er. »Sie wissen doch, ich bin ein leidenschaftlicher Hobbykoch. Und ich bin sicher, dass ich viel von Ihnen lernen kann, in jeder Hinsicht.«
Ein eigenartiges Glitzern lag in seinen Augen. Vivi wusstenicht, wie sie es deuten sollte. War er als Spürhund unterwegs? Als Hobbykoch? Oder war da noch etwas anderes im Spiel? Er trug eine verwaschene Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Yammie yammie«. Wie ein Kommissar im Dienst sah er nicht gerade aus. Eher wie ein großer Junge, der in Mamis Küche naschen wollte. Bestimmt war das auch nur Taktik.
»Also gut«, lenkte Vivi ein, versuchte aber gar nicht erst, ihren Zorn zu verbergen. »Sie sind übrigens zu spät. Die Häppchen haben Sie verpasst, den Champagner auch. Jetzt wird gefälligst gearbeitet.«
»Zu Ihren Diensten«, sagte er und knallte scherzhaft die Hacken zusammen. »Ihr ergebener Diener.«
Blödmann. Ein Kochkurs unter polizeilicher Aufsicht, das hatte Vivi gerade noch gefehlt. Sie schluckte ihre Aufregung hinunter und stellte sich in die Mitte der Küche.
»Meine Damen und Herren, verehrte Gäste, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«
Das Stimmengewirr erstarb. Vivi glättete den kleinen Zettel, den sie sich geschrieben hatte, denn Ansprachen vor versammelter Mannschaft waren so gar nicht ihr Ding.
»Wir werden heute ein Fünf-Gänge-Menü kochen, das Sie mit fünf verschiedenen Zubereitungsarten vertraut machen wird«, las sie vor. »Wir beginnen mit einem Salat aus Avocado, Grapefruit und ausgelösten Krebsschwänzen. Dann folgt ein Kresseschaumsüppchen mit Garnelen. Als Zwischengang kochen wir Crêpes mit Zanderfüllung. Der Fleischgang ist provenzalischer Lammrücken mit Rosmarinkartoffeln. Zum Dessert gibt es Tiramisu mit Waldbeeren. Und damit Sie nicht vor lauter Hunger die Töpfe leerfuttern, bevor wir am Tisch sitzen,habe ich als Ohnmachtshappen würzige Frikadellen mit Kräutern und Schafskäse vorbereitet.«
Mit erwartungsvollen Mienen hatten die Gäste ihr zugehört. Jemand begann zu klatschen. Es war Jan Petersen, der den Anfang machte, worauf alle applaudierten. Vivi verbeugte sich verlegen, dann huschte sie in die Vorratskammer. So im Blickpunkt zu stehen war ihr unangenehm.
Ein letztes Mal überprüfte sie die
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