Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Zutaten. Dies war nicht irgendein Menü. Es war so etwas wie die kulinarische Quintessenz ihres Lebens, das mit Werners Tod so überraschende Wendungen genommen hatte. Der Salat erinnerte sie an die furchtbare Nacht, als sie herausgefunden hatte, dass Werner sie enterbt hatte. Das Kresseschaumsüppchen war der zweite Gang des Leichenschmauses gewesen. Den provenzalischen Lammrücken hatte sie gemeinsam mit Checker verspeist, die Zandercrêpes sowie das Tiramisu hatte sie zu Ehren von Richard ausgesucht. Und die Frikadellen, nun ja, die gemahnten an den Tod von Berthold Seitz. Es war sozusagen das große Opfergedenkessen.
Vivi gab weiße Kochschürzen aus und teilte die Kursteilnehmer in fünf Gruppen, die jeweils verschiedene Aufgaben bekamen. Jan Petersen musste Gemüse schnippeln, ein niederer Dienst, wie er sehr wohl erkannte.
»Sie degradieren mich zum Küchenjungen, was?«, raunte er ihr zu, als sie ihm ein riesiges Messer reichte. »Oder geben Sie Ihre Waffen preis?«
»Klar, ich renne durch die Gegend und steche alles ab, was sich bewegt«, schnaubte sie halblaut. »Verkneifen Sie sich bitte solche Kommentare, sonst hole ich die Polizei.«
»Sparen Sie sich die Mühe, ist schon da.«
Wieder blitzte er sie an, mit diesem Blick, in dem sich Skepsis, Wachsamkeit und der Hauch eines Flirts mischten. Vivi wurde nicht schlau aus ihm. Verdächtigte er sie noch immer? Hatte er in seinem dämlichen Laptop neue »Querverbindungen« entdeckt?
»Stets zu Diensten«, sagte er mit gespielter Unterwürfigkeit und begann, eine Aubergine zu würfeln. Ohne aufzusehen, fügte er hinzu: »Gut, dass keine Nüsse unter den Zutaten sind. Es soll ja Leute geben, die gegen so was allergisch sind.«
Kapitel elf
Vivis Fluchtinstinkte erreichten eine ungeahnte Rekordmarke. War sie durchschaut? Oder was sollte die Bemerkung mit der Nussallergie? Möglicherweise gab es ja im Internet eine Liste mit Allergikern. Falls man bei der Obduktion dann auch noch Haselnussspuren im Magen von Berthold Seitz gefunden hatte, musste Jan Petersen nur eins und eins zusammenzählen. Aber vielleicht war es ja eine rein zufällige Feststellung gewesen, und ihr schlechtes Gewissen spielte ihr einen Streich. Nur dass dieser Petersen dummerweise nicht wie ein Mann wirkte, der irgendetwas dem Zufall überließ.
Eine der Teilnehmerinnen sprach Vivi an. Gedankenverloren sah sie auf. »Verzeihung, was haben Sie gesagt?«
»Ob die Kartoffeln wirklich mit Schale in den Ofen kommen«, erkundigte sich eine gertenschlanke Mittdreißigerin, die aussah, als hätte sie sich für eine Opernpremiere hochgetunt. Unter der Kochschürze lugte ein silbergraues Seidenkleid hervor, ihre hohen Pumps hatten Laufstegniveau, und sie war geschminkt wie eine Teenagerin, die heimlich den Kosmetikschrank ihrer Mutter geplündert hatte.
»Ja, nicht schälen, bitte nur gut abschrubben und vierteln«, antwortete Vivi. »Dann mit Butterflöckchen, Salz und Rosmarin aufs Backblech setzen. Aber Sie sollten auf Ihr Kleid aufpassen, das sieht empfindlich aus. Nur so als Tipp: Das nächste Mal lieber etwas Praktisches anziehen.«
Mitleidig lächelnd strich sich die Frau eine Strähne ihrerkunstvollen Fönfrisur aus dem Gesicht. Sie legte eine perfekt manikürte Hand an ihre beneidenswert schmale Hüfte. »Was Praktisches? Wussten Sie denn nicht, dass Kochkurse die neuen Singlebörsen sind?«
Mit dem Kopf deutete sie auf Jan Petersen, der an der Arbeitsfläche gegenüber stand und hingebungsvoll eine Zucchini in Scheiben schnitt. »Exzellentes Casting hier. Da gehe ich doch nicht in Sack und Asche.«
Als hätte er gemerkt, dass über ihn gesprochen wurde, hob der Kommissar seinen Kopf und lächelte in Vivis Richtung.
Sie nahm sich eine Frikadelle, ohne das Lächeln zu erwidern. »Na, dann viel Glück. Wie Sie sehen, spricht das Miramar ein gehobenes Publikum an.«
Und ganz bestimmt keine Kriminalbeamten, die in verrotteten Büros rumhängen und mir das Leben zur Hölle machen, fügte sie innerlich hinzu. Nervös biss sie in die Frikadelle, während sie von Gruppe zu Gruppe ging, die Vorbereitungen beaufsichtigte und dabei mit Fragen nur so gelöchert wurde. Wie man Krebsfleisch auslöste, wie lange Garnelen im heißen Wasser ziehen mussten, warum sie ausgerechnet Honig für den Lammrücken verwendete.
Geduldig beantwortete Vivi alles. Sie zeigte ihre bewährten Handgriffe und demonstrierte, wie man mit den extrascharfen Messern einer Profiküche umging. Dabei hatte sie nicht übel
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