Ich komme um zu schreiben
zeichnete sich in einer schroffen, zerklüfteten Linie rabenschwarz gegen das blasse Firmament ab.
Mittlerweile war ihr wieder warm geworden, und sie entspannte sich wieder, während sie das wunderschöne Panorama betrachtete. Sie folgte den Umrissen des Grats über die drei Fenster hinweg von einem Ende ihres Grundstücks bis zum anderen. Eine schlanke hohe Kiefer, die wie eine schwarze Rakete in den Sternenhimmel ragte, unterbrach die Sicht. Und direkt dahinter war noch ein kleinerer Umriss zu erkennen, der … fast wie ein Mensch aussah!
Molly runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern, was dort oben alles wuchs. Vielleicht eine knorrige Pinyon-Kiefer? Aber je genauer sie hinsah, desto mehr erinnerte sie das Ding da draußen an einen Menschen. An einen Mann, der seine Arme in die Seiten stemmte.
Was zum Teufel …?
Auf einmal konnte sie keinen Finger mehr rühren, und eine eisige Furcht kroch von ihrem Bauch aus durch ihre Adern bis in die Gliedmaßen.
Die Silhouette stand vollkommen reglos da. Molly kam es fast so vor, als hätte sie eine unsichtbare Verbindung zu dem Unbekannten, als könnte sie den durchdringenden Blick ihres Beobachters sehen. Solange sie sich nicht bewegte, würde eres auch nicht tun. Und solange sie nicht atmete, atmete auch er nicht.
Das bisschen Wärme, das sich unter der Decke angestaut hatte, schien mit einem Schlag zu verpuffen. Molly fing an zu zittern, versuchte sich zusammenzureißen, doch je mehr sie dagegen ankämpfte, desto schlimmer wurde es.
Wer war das? Wer stand da mitten in einer eiskalten Winternacht auf dem Berg und sah ihr beim Schlafen zu?
„Oh Gott“, flüsterte sie, nachdem sie sich endlich getraut hatte, wieder Luft zu holen. Das war eindeutig zu unheimlich für ihren Geschmack. Viel unheimlicher, als wenn sich jemand an ihrer Haustür zu schaffen gemacht hätte. Warum steht der Typ einfach nur so da? Wusste er, dass sie ihn entdeckt hatte?
Sie ballte die Hände zu so festen Fäusten, dass die Fingernägel in die Innenflächen drückten. Ihre Zähne klapperten wie verrückt, aber sie versuchte, absolut reglos dazuliegen. Wenn sie ganz stillhielt, verschwand der Fremde vielleicht einfach in der Nacht.
Die Silhouette neigte den Kopf. Dann hob sie langsam eine ihrer Schattenhände und winkte, als wollte sie Molly verspotten.
Die Panik erlöste Molly endlich aus ihrer Starre. Sie hechtete nach dem alten Telefon und hätte sich fast selbst k. o. geschlagen, als sie sich aus Versehen den massiven Hörer gegen den Kopf rammte. Im ersten Moment glaubte sie schon, das Ding kaputt gemacht zu haben, weil kein Geräusch aus der Muschel drang. Doch dann erinnerte sie sich, dass sie bei ihrem Wutanfall neulich den Stecker aus der Wand gezogen hatte.
„Oh Gott. Oh Gott.“ Sie spähte aus dem Fenster, aber die Silhouette war verschwunden. Die Kiefer stand jetzt ganz alleine auf dem Grat. Wo war er hin?
Molly kroch aus dem Bett, landete auf allen vieren und tastete den Boden nach dem Telefonkabel ab. Mann, irgendwomusste das verdammte Ding doch sein!
Ihre Finger glitten über den Teppich, streiften den Ohrring, der ihr neulich runtergefallen war, dann ein Kleenex. Molly kämpfte mit den Tränen.
Und dann, endlich, hielt sie den kleinen Clip zwischen den Fingern, in dem das Kabel mündete. Mit zitternden Händen holte sie das Telefon zu sich auf den Boden, steckte das Kabel ein und wählte Bens Nummer. Ihre Hände handelten ganz ohne ihr Zutun. Die Nummer kannte sie seit ihrer Kindheit, weil Ben niemals umgezogen war.
„Lawson“, meldete er sich. Seine Stimme klang so nahe, als wäre er schon längst bei ihr.
„Ben, da ist jemand hinter meinem Haus.“
„Molly?“
„Jemand ist da draußen auf dem Hügel!“
„Wo bist du?“ Er klang hellwach.
„In meinem Schlafzimmer.“
„Und er befindet sich auf dem Hügel? Da oben verläuft ein Wanderweg. Vielleicht ist er …“
„Wer wandert denn bitte mitten in der Nacht? Und … er hat einfach nur dagestanden und mich beim Schlafen beobachtet!“
„Okay, beruhig dich. Wahrscheinlich hat das gar nichts zu bedeuten. Sind deine Vorhänge denn nicht zu, Molly? Darauf solltest du nachts unbedingt achten!“
Anfangs hatte der Klang seiner Stimme sie beruhigt, aber jetzt spürte sie die Panik wieder aufflackern. Bestimmt würde sie gleich hören, wie eines der Erdgeschossfenster zerschlagen wurde. „Und das war’s? Du hältst mir einfach nur einen Vortrag über Vorhänge? Er könnte … Willst du nicht mal
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