Ich komme um zu schreiben
Schnee mit sich ins Haus. Auf seinen Schultern und in seinem Haar glitzerten winzige Eiskristalle.
„Hast du ihn gefunden?“, fragte sie, während Ben die Tür hinter sich abschloss.
„Nein, da oben war nichts. Der Pfad war noch trocken. Es schneit erst, seit wir uns auf den Rückweg gemacht haben. Bist du dir wirklich ganz sicher, dass du jemanden gesehen hast? Oder kann es sein, dass du geträumt hast?“
„Ich war hellwach, weil ich gerade vom Klo kam.“
„Und was hattest du an?“ Sein Blick glitt kurz zu ihren Puschen und wieder hinauf.
Verständnislos schüttelte sie den Kopf.
„Die King-Mine ist nicht mal eine Meile weit entfernt“, erklärte Ben. „Ich war gestern dort. Das Schloss war aufgebrochen, und es lagen Bierdosen herum. Wenn dort Teenager unterwegs waren …“ Er zuckte mit den Achseln und fuhr sich ungeduldig durchs Haar, in dem jetzt Tropfen funkelten, weil die Schneeflocken zu schmelzen begonnen hatten. „Morgen sehe ich mir die Mine noch mal an. Wahrscheinlich war das nur irgendein Teenie auf dem Heimweg, der sich von dem Anblick einer jungen Frau in Unterwäsche nicht losreißen konnte.“
Molly wollte schon protestieren – schließlich war die Situation doch viel bedrohlicher gewesen! Aber dann biss sie sich doch auf die Zunge. War eine so einfache Erklärung denkbar? Ein jugendlicher Zufallsspanner, der sich mit einem Sixpack Billigbier betrunken hatte? Dicht gefolgt von Ben ging sie wieder in die Küche.
„Oder gibt es vielleicht etwas“, fuhr er in warnendem Ton fort, „das du mir sagen solltest? Hast du Grund zur Annahme, dass du beobachtet wirst?“
Da sie mit Sicherheit ausschließen konnte, dass Cameronder Übeltäter war, konnte sie guten Gewissens den Kopf schütteln. „Nein. Es hat sich einfach nur sehr bedrohlich angefühlt. Glaubst du wirklich, dass es nur ein Zufall war?“
„Hattest du mehr als Unterwäsche an?“
„Ein Top.“
„Dieses Top?“
Sie blickte zum Saum ihres knappen weißen Shirts hinab, das unter dem Seidenmorgenmantel hervorlugte. „Genau.“
„Dann hätte ich mit siebzehn auch ein kleines Päuschen eingelegt, um dich zu beobachten.“
„Na klar. Du hättest nie im Leben mitten in der Nacht durch ein Schlafzimmerfenster gespannt.“
„Es ist ja nicht so, dass sich dein Beobachter durchs Gebüsch geschlagen hat, um durch die Vorhänge zu spähen. Mach in Zukunft deine Gardinen zu, verstanden?“
„Klar“, fauchte Molly und knallte ihr Glas so heftig auf den Tisch, dass der Wein herausspritzte. „Ich mag es einfach, direkt nach dem Aufwachen in die Natur zu sehen. Findest du wirklich, es ist mein Fehler, dass mitten in der Nacht eklige Typen durch die Berge wandern und sich an meinem Anblick ergötzen?“
„Molly …“
Erst als er sie fest an sich zog, merkte sie, dass sie weinte, und das machte sie noch wütender. Aber trotzdem fühlte Ben sich so gut an, dass sie sich weiter von ihm festhalten ließ. Langsam verpuffte ihr Ärger. „Mit mir ist alles in Ordnung, Ben“, wiederholte sie und vergrub ihr Gesicht in seiner offen stehenden Jacke. Sie sog den warmen Duft seiner Haut und der Lederjacke ein. Ben roch genauso, wie ein Mann riechen sollte: sauber und nach frischem Nadelholz.
Als sie leise schniefte, seufzte er auf.
„Frank ist zurück zur Station gefahren, um den Bericht zu schreiben. Und ich verspreche dir, dass ich mich morgen nochmal umsehe, okay?“
„Ich habe jemanden gesehen“, bekräftigte sie. Bens Kinn glitt über ihr Haar, als er nickte.
„Das weiß ich doch. Wenn du glaubst, dass du schlafen kannst, bringe ich dich jetzt ins Bett.“
Jippieh! War das sein Ernst? Molly gab sich alle Mühe, sich ihre Freude nicht anmerken zu lassen. „Ich denke, dass es einen Versuch wert ist“, flüsterte sie leise und betont hoffnungslos.
„Es ist erst vier.“ Jetzt lag seine große Hand wieder auf ihrer Taille. Mit sanftem Druck führte er Molly zur Treppe. „Na, dann ab ins Bett mit dir.“
„Wie du meinst.“ Oh ja, kümmer dich um mich, du großer, starker Adonis. Sie war ziemlich gespannt, wie weit er gehen würde, um ihr beim Einschlafen zu helfen. Jetzt, wo die Angst verflogen war, reagierte Molly wieder genauso wie sonst auf Bens Anwesenheit: deprimierend willig. Um nicht zu sagen: sexsüchtig. Aber das musste Ben ja nicht wissen. Jedenfalls noch nicht.
Mit wackelnden Hüften ging sie vor ihm die Treppe hoch. Das konnte ihm ja wohl nicht entgehen! Ihr Morgenmantel bedeckte nur knapp ihren
Weitere Kostenlose Bücher