Ich komme von Charlie!
solange das Skelett noch frei herumläuft. Geh
lieber auf Nummer Sicher und nimm ihn mit hinunter in die Halle .«
»Du hast wahrscheinlich recht,
Darling .« Sie küßte mich liebevoll auf die Nasenspitze.
»Geh mir ja nicht fort! Ich verlasse mich darauf, daß du hier wartest, bis ich
zurückkomme !«
»Was sonst?« Ich grinste
verschmitzt. »Hältst du mich für verrückt? Versuch nur, mich aus deinem Zimmer
hinauszubekommen !«
»Das ist mein Larry«, sagte sie
stolz und eilte hinaus.
In dem Augenblick, als sie
verschwunden war, schien der Raum einzuschrumpfen, langweilig und leblos zu
werden. Ich ging ins Badezimmer und wusch mir fünf Minuten lang heftig die
Hände, schlenderte dann wieder hinaus und ging auf und ab, von einer Wand zur
anderen, einhundertdreiundneunzigmal, aber dann schmerzten mir die Füße.
Dagegen war nur eins zu tun. Ich streckte mich auf dem Bett aus und starrte mit
leerem Blick zur Decke.
Ich hatte neununddreißig
Haarrisse im Verputz gezählt — vielleicht waren es auch nur achtunddreißig — , als ich einen eiskalten Zug im Nacken spürte. Das mußte
reine Einbildung sein. Ich wußte, daß Kate das Fenster nur einen Spaltbreit
offengelassen hatte. Verdammt! Ich grinste in mich hinein — demnächst würde ich
auch noch Stimmen hören.
»Wo ist das Frauenzimmer ?« fragte eine trockene Flüsterstimme wie auf ein Stichwort
hin.
»In meinem Kopf«, sagte ich
laut. »Genau wie du auch — du läppisches Würstchen!«
Was nun folgte, konnte nur eine
Halluzination sein. Mit dem rechten Auge klappte alles vorzüglich, das suchte
weiterhin nach Rissen in der Decke; aber mein linkes starrte plötzlich in einen
engen Stahltunnel, der am anderen Ende verstopft sein mußte, denn innen war
alles stockdunkel.
»Noch eine solche Bemerkung,
Sie Knilch, und ich besorge es Ihnen !« sagte die
Flüsterstimme bösartig.
Ich halte es für möglich, daß
mir meine Phantasie einen Streich spielt und ich Stimmen höre, überlegte ich
vernünftig. Eine Stimme kann man sich leicht einbilden — aber ein eiserner
Tunnel? Vielleicht konnte ich das mit Hilfe eines Experiments herausfinden? Ich
bewegte sehr langsam den Kopf, nur ein paar Zentimeter nach der einen Seite,
und schielte sorgfältig. Der Blick genügte. Der Tunnel war Wirklichkeit — es
war ein Pistolenlauf. Damit brauchte ich mir also nur noch um die Stimme
Gedanken zu machen!
Dann unternahm mein Herz einen
übermenschlichen Versuch, aus meinem Brustkorb zu hüpfen, fiel aber mit einem
unangenehmen Plumps zurück. Ein Pistolenlauf nur wenige Zentimeter von meinem
linken Auge entfernt? Er bedurfte einer Hand, die ihn festhielt, und die Hand
mußte ebenfalls jemandem gehören, und zwar ohne Zweifel dem Eigentümer der
Stimme, und er mußte irgendwie ins Zimmer gekommen sein; und deshalb hatte ich
auch den kalten Luftzug in meinem Nacken gespürt, als er das Fenster geöffnet,
hatte, um hereinzuklettern.
Ich setzte mich sehr langsam
auf, und der Pistolenlauf begleitete mein linkes Auge dabei. Danach war es
keine große Überraschung, daß der Bursche, der die Pistole hielt, ein großes,
mageres Individuum mit einem ausgemergelten Gesicht unter dem dunklen Hutrand
war, das mehr einem Totenschädel als irgend etwas anderem ähnlich sah.
»Ich habe gefragt, wo das
Frauenzimmer ist !« Seine dunklen Augen glitzerten
ungeduldig. »Das ist das zweitemal , daß ich dieselbe
Frage stelle. Ein drittesmal wird’s nicht geben .«
»Sie meinen Kate Dunne ?« brachte ich mit erstickter Stimme hervor.
» Wen denn sonst? Das ist doch ihr Zimmer, oder nicht ?«
»Sie ist unten in der Halle«, sagte
ich. »Und ein Polyp sitzt neben ihr .«
»Was tun Sie dann hier ?«
»Ich warte darauf, daß sie
zurückkommt«, sagte ich. »Das kann schon bald geschehen, aber dieser Polyp wird
nach wie vor bei ihr sein .«
»Ganz recht .« Er grinste humorlos. »Sie sind der Knilch, der Charlie gesagt hat, er würde ihn
mit seinen eigenen Händen umbringen, wenn dem Frauenzimmer etwas zustoße.
Stimmt’s ?«
»Ja.« Ich schluckte.
»Sie haben wirklich Glück, daß
Charlie Sinn für Humor hat«, sagte er kalt. »Ich hab’ keinen, vergessen Sie das
nicht .«
»Ich werde es schon nicht
vergessen«, sagte ich aufrichtig.
Er starrte mich für eine, wie
mir schien, sehr lange Zeit schweigend an, während meine Nervenenden hysterisch
zuckten.
»Dieses Frauenzimmer weiß gar
nicht, was für ein Glück sie hat«, sagte er schließlich. »Ich habe mir die
falsche Nacht
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