Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
vereinbarten Treffen aufgetaucht. Dieses Mal schienen wir mehr Glück zu haben. Es hätte auch passieren können,
dass Tichow überhaupt nicht kommen würde. Dass er das gestrige Date nicht wirklich ernst nehmen würde. Noch nicht. Aber in solchen Fällen haben wir einen sehr langen Atem. Wann Schluss ist, bestimmen wir. Denn der Agent verliert sein Ziel nie aus den Augen. Und dieses Ziel heißt, die Organisation zu zerschlagen. Deshalb wird bei »Ungehorsam« noch lange nicht zwingend die Polizei eingeschaltet. Erst recht wird keine persönliche Rache an einem störrischen Kriminellen geübt.
Allerdings weiß er das nicht.
»Nur die wenigsten Zielpersonen dürften in der Lage sein, ein Werbungsgespräch ohne Hinzuziehung einer Vertrauensperson aus dem familiären Bereich oder dem engsten Freundeskreis psychisch zu verarbeiten. Dafür ist der Vorgang einer Ansprache durch einen Mitarbeiter einer Verfassungsschutzbehörde doch zu ungewöhnlich, und so ist es eine normale Reaktion, wenn sich eine Zielperson nach einem Werbungserstgespräch zum Beispiel ihrem Ehepartner oder einer anderen Vertrauensperson gegenüber offenbart und um Rat nachsucht.«
Quelle: Nachrichtendienstpsychologie, Band 1
Im Café
In dem kleinen Café in der Domstraße, das zu einer Konditorei gehörte, wartete ich auf Tichow. Bis auf einen Tisch, an dem zwei ältere Frauen vor Kaffee und Apfelkuchen mit Sahne saßen, war ich der einzige Gast. Als das Taxi vorfuhr, rief ich Tichow erneut an. Er war bereits ausgestiegen, als sein Handy klingelte.
»Komm einfach rein, ich sitze ganz hinten in der Ecke«, sagte ich zu ihm. Sekunden später meldete Josef, dass Tichow während der Fahrt keine Telefonate getätigt oder erhalten hatte. Er hatte seinen
ersten Test bestanden. Zufrieden nahm ich den Knopf aus meinem Ohr und ließ ihn verschwinden.
Mit seinem leicht o-beinigen, wiegenden Cowboygang betrat Tichow das Café, nickte mir zu und ließ sich mir gegenüber nieder.
»Und? Alles klar bei dir?«, fragte ich ihn und schaute ihm direkt in die Augen. Müde sah er aus. Er hatte in der letzten Nacht wenig geschlafen, so viel war sicher. Ich wusste auch, dass er innerlich bis zum letzten Moment mit sich ringen würde. Ich war noch lange nicht am Ziel.
Tichow fuhr sich mit der Handfläche über die Stirn. Sein Gesicht war angespannt. Seine sehr blauen Augen musterten mich gleichzeitig durchdringend und unsicher.
»Hast du mit irgendjemandem über uns gesprochen?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. Ich glaubte ihm, ohne mich darauf zu verlassen. Zu hundert Prozent konnten wir uns trotz der vielen positiven Anzeichen nie sicher sein. Und letztlich spielte das jetzt auch keine Rolle. Was ist schon sicher im Leben?
»Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden«, begann ich. »Du kennst Leute, für die wir uns interessieren. Leute, die ihr Geld auf Kosten anderer Menschen verdienen. Mit Rauschgifthandel, Schmuggel, Betrug, Erpressung. Und genau für die interessiere ich mich.«
Tichow ließ seine Blicke durch das Café schweifen. Nach einer Weile sagte er betont gelangweilt: »Ich kenne viele Leute. Alle kennen viele Leute. Das ist normal.«
Seine Reaktion überraschte mich nicht. Ich hatte dieses Theaterstück schon ziemlich oft aufgeführt. Tichow war ein guter Schauspieler.
»Was fällt dir ein, wenn ich Heroin sage?«, fragte ich.
Tichow zuckte mit den Achseln.
»Was fällt dir ein, wenn ich Batumi sage?«
Tichow zuckte mit den Achseln.
»Was fällt dir ein, wenn ich Alexej Dima sage?«
Tichow zuckte mit den Achseln.
»Was darf ich den Herren bringen?«, fragte eine Kellnerin im selben Alter wie die zwei Damen mit dem Apfelkuchen.
»Kaffee bitte«, bestellte ich.
Tichow nickte.
»Zwei«, sagte ich.
Die Kellnerin ging weg.
Ich zückte mein iPhone und zeigte Tichow ein Foto von Alexej Dima. »Fällt dir jetzt was zu ihm ein?«
Er warf einen gelangweilten Blick auf das Foto. »Den kenne ich nicht.«
Ich zeigte ihm ein weiteres Foto. Es zeigte Alexej Dima zusammen mit Tichow. Sie saßen an einer Bar in einem Hotel, rauchten und unterhielten sich. Prompt wechselte Tichow die Gesichtsfarbe. Er wurde erst blass, dann rot und schließlich wieder blass. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab.
»Kann schon sein. Ja, den kenne ich vom Sehen. Irgendwo haben wir uns mal getroffen. Zufällig. Keine Ahnung, wer das ist. Man trifft sich eben irgendwo. Das ist normal.«
Für einen, der von nichts eine Ahnung hatte, machte er ziemlich
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