Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
Bekannter bleiben wird. Aber er hat vielleicht eine gute Connection zu Autos oder kennt sich mit Computern aus oder vermietet ein günstiges Ferienhaus in Italien. Im Adressbuch heißt dieser Mensch dann Kurti-Auto, Foto-Fabian, Cossi-Ferienhaus. In Tichows Kreisen wimmelt es von solchen Bekanntschaften. Ständig werden Handynummern ausgetauscht. Das gehört zum Lifestyle der Schattenwelt. Heute Brüssel, morgen Berlin, übermorgen München. Überall neue Nummern. Leo-Amsterdam hätte auch als Leo-Jacht oder Leo-Flughafen gespeichert sein können. Das war nichts Ungewöhnliches. Damit war ich nur ein Name auf der langen Liste von Zufallsbekanntschaften. Meine Handynummer brachte Tichow nicht in Gefahr. Niemand würde erfahren, wer hinter dieser Nummer steckte. Niemand würde erfahren, wer ich war oder wie ich hieß. Meinen echten Namen ohnehin nicht. Solche Recherchen sind den Behörden vorbehalten. Und auch sie würden nicht beim Nachrichtendienst landen, sondern bei Rotter & Rotter, einem Unternehmen, das Jachten baut.
Zwei Stunden später als ursprünglich geplant schritt Tichow auf mich zu. Er trug dunkelblaue Jeans, knöchelhohe Stiefel und ein dunkles Armani-Sakko über einem hellblauen Hemd.
»Was war los?«, begrüßte ich ihn.
»Ich konnte nicht weg, ohne dass jemand Fragen gestellt hätte«, antwortete er und ließ sich mit einem Seufzer in einen der roten Plüschsessel fallen.
»Hervorragend«, lobte ich ihn. Tichow hatte alles richtig gemacht. Er hatte sich perfekt verhalten. Er hatte angerufen und mir damit gezeigt, dass er die Situation und mich ernst nahm. Und
zum Ausweichtermin war er drei Minuten zu früh erschienen. Ich winkte dem Kellner.
Tichow stöhnte. »Das ist echt bequem hier, Leo! Lass uns so angenehm weitermachen. Was hast du vor, dass wir uns auf der Reeperbahn treffen?« Er grinste. »Ich glaube, das könnte mir gefallen.«
»Wir machen einen Ausflug. Ohne Damen. Frauen hast du eh genug.«
»Kann man gar nicht genug haben.«
Ich bezahlte meinen Espresso, und wir verließen das Schmidts TIVOLI Richtung Tiefgarage.
Wir fuhren an zwei Kontrollpunkten meiner Kollegen vorbei Richtung Hafen. Die Observationseinheit ging wie immer auf Nummer sicher und klärte ab, dass Tichow nicht verfolgt wurde – ob von einem misstrauischen Auge der Organisation, einem Privatdetektiv oder der Polizei, die ihn ebenfalls im Visier haben konnte. Tichow war ohne Anhang unterwegs. Es war ihm gelungen, seine Abwesenheit so gut zu organisieren, dass sein Umfeld nichts davon merkte. Ein weiterer Pluspunkt für ihn.
Wir sprachen nicht während der Fahrt. Ich kannte mich gut aus in dieser Gegend und hatte am Vortag die Stelle ausgekundschaftet, an der ich den Wagen parken wollte. Die Kollegen wussten Bescheid, auch wenn sie uns nicht hierher folgten. Wir waren allein, mein zukünftiger V-Mann und ich. Ich stellte den Wagen ans Wasser, damit wir Aussicht hatten. Ein paar Kräne. Ein paar Kähne. Viel grauer Himmel mit einigen wenigen blauen Löchern dazwischen und Möwen.
Dann fragte ich Tichow: »Was ging ab die letzten Tage?«
»Das weißt du doch sowieso«, scherzte er.
»Eins zu null für dich!«, konterte ich lässig und lenkte das Gespräch dann zunächst einmal auf sein Privatleben, genauer gesagt seine Freundinnen.
Tichow grinste. »Alles normal.« Dann erzählte er weitschweifig von Stress mit der einen und einer schönen Geburtstagsfeier mit der anderen. Klar. Was das betraf, fühlte er sich sicher. Er hätte mir wahrscheinlich auch von den zurückliegenden zehn Geburtstagen seiner vier Großeltern erzählt. Und falls nötig auch noch ein paar Frauengeschichten draufgepackt. Harmloses Thema. Alles hübsch unverfänglich. Ja, da gab es tatsächlich eine neue Frau. In Berlin. Eine ganz heiße Nummer. Tichows blaue Augen funkelten. Innerlich seufzte ich. Äußerlich nickte ich ihm aufmunternd zu. Diese Affären beinhalteten für mich zugleich positive und negative Aspekte. Auf der einen Seite ahnte ich bereits, mit welchen emotionalen Ups und Downs ich in Zukunft rechnen musste, auf der anderen Seite konnte ich mir sicher sein, dass ein Mann, dem es gelang, zwei oder drei Frauen gleichzeitig nebeneinander laufen zu haben, ohne dass die eine von der anderen wusste, es auch schaffen würde, sich mit mir zu treffen, ohne dass jemand davon Wind bekam. Noch ein Pluspunkt für Tichow, der locker weiterplauderte. Im privaten Bereich fühlte er sich sicher.
Damit ist es in der Schattenwelt genau
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