Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
andersherum als in der Legalität. Wir fühlen uns wohler, wenn wir über Geschäfte reden oder über neutrale Themen. Das Privatleben lassen wir zuerst mal außen vor. Doch für Tichow war sein Privatleben wahrscheinlich das Einzige, was sich einigermaßen im Bereich des Legalen abspielte.
Es wurde Zeit, das kaffeelose Kaffeekränzchen zu beenden und sich dem Sinn und Zweck unseres Treffens zuzuwenden. Ich griff nach hinten und nahm den Umschlag mit den Fotos von der Rückbank.
»Ich hab was für dich dabei«, sagte ich und öffnete den Umschlag.
Die entspannte Atmosphäre fiel in sich zusammen. Tichow schaute aus dem Fenster. Ich ließ mich davon nicht beeindrucken,
nahm das erste von sechsundzwanzig Bildern in die Hand und reichte es ihm. Auf jeder Aufnahme war ein anderer Mann zu sehen. Von einem wusste ich sicher, dass Tichow ihn kannte. Andere waren so ausgewählt, dass er sie eventuell kennen konnte, aber eben nicht zwingend. Wieder andere konnte er nicht kennen, da sie nicht aus dem Milieu stammten. Ich zeigte Tichow jedes dieser Bilder und wartete seine Bemerkungen ab. Mit der vollen Wahrheit war in diesem Stadium nicht zu rechnen. Tichow gab vorsichtige Antworten, die ihm möglichst wenig schadeten. Ich hörte aufmerksam zu. Die Qualität seiner Angaben legte fest, wie ich ihn in Zukunft führen würde. Tichow spielte den Klassiker. Er kannte niemanden. Er war praktisch allein auf dieser Welt.
»Aber den hier, den musst du kennen«, sagte ich und reichte ihm das nächste Foto.
Er schüttelte den Kopf. Ich kannte das Spiel. Wenn ich ihm nun anhand eines Fotos, auf dem er mit diesem Mann abgelichtet war, beweisen würde, dass er ihn kennen musste, nun, dann hatte er ihn eben irgendwann irgendwo zufällig getroffen. Mit einem Foto, das belegte, dass das Treffen kein Zufall sein konnte, würde er sich vielleicht erinnern, dass er den Mann ganz entfernt kannte. Man trifft sich. Man redet. Man weiß nichts. Das ist normal. Ja, es war alles völlig normal mit Tichow. Wie seine Kollegen würde er sich bei solchen Kriminellen, die er mochte, bedeckt halten. Über Kriminelle, die er nicht mochte, vielleicht sogar hasste, würde ihm hingegen ein ganzer Aufsatz einfallen. Das Interessante daran für uns ist es, dass Liebe und Hass in diesen Kreisen so schnell wechseln können wie das Wetter im April; irgendwann weht der Wind aus der richtigen Richtung, und wir Agenten können unser Puzzle zusammensetzen, früher oder später.
Wir fragen zu diesem frühen Zeitpunkt nicht nach dem Kern der Organisation. Das Umfeld wird erst einmal ganz weitläufig abgegrast.
Diese Vorgehensweise setzt die Hemmschwelle des zukünftigen V-Mannes herab. Über Feinde gibt es immer viel zu plaudern. So lernt der V-Mann nach und nach in sicheren Gefilden, dass es nicht wehtut, etwas preiszugeben. Dass es keine schlimmen Folgen für ihn hat. Dass er nicht als Verräter der Information bekannt wird. Er entspannt sich und erlebt, dass er sicher ist und in guten Händen. Je brisanter die Informationen später werden, desto wichtiger sind diese guten Anfangserfahrungen, die eine vertrauensvolle Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit bilden.
Auf Foto Nummer einundzwanzig war ein junger Russe zu sehen. Er war braungebrannt, hatte ein Piercing in der linken Augenbraue und trug modische Klamotten. Ich wusste, dass Tichow ihn kannte, denn er war auf einem der Fotos abgelichtet, das die Kollegen von der technischen Überwachung in der Lagerhalle gemacht hatten. Das konnte Tichow natürlich nicht wissen. Ich war gespannt, ob er etwas zu diesem Foto sagen oder wieder nur den Kopf schütteln würde.
Tichow nickte. »Das ist David. Er und Alexej haben mit Autos zu tun.«
»Wer ist Alexej?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass er einer von Tichows Handlangern war.
»Ein Kollege«, sagte Tichow.
»Und was haben die beiden mit Autos zu tun?«
»Sie nehmen die Autos an. Sie haben ein paar junge Typen, die die Autos zu ihnen bringen.«
»Und diese Jungs knacken die Autos und fahren sie zu David und Alexej?«, hakte ich nach.
Tichow nickte. Nach und nach erzählte er mir, dass in einer Lagerhalle in Brandenburg die Kennzeichen gewechselt und Fahrzeugidentifizierungs- und Motorennummern manipuliert wurden. Mit gefälschten Papieren ging die Reise dann weiter nach Polen.
»Weißt du, wohin genau?«, fragte ich.
»Nach Poznań. Dort werden sie weiterverkauft. Sie arbeiten für einen Mann namens Mickiwicz. Den kenne ich nicht persönlich. Ich
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