Ich krieg die Krise! (German Edition)
Komplett. Ab jetzt gibst du Vollgas und wirst zum Vollidioten in einem rasenden Konvoi rasender Vollidioten.
Ich treffe zwar immer wieder Männer, die das weit von sich weisen und behaupten, sie seien total gelassene, defensive Fahrer. Aber das sind die Schlimmsten. Entweder lügen sie nämlich oder es sind Oberlehrer – also die Typen, die links neben einem Laster die Geschwindigkeitsbegrenzung so vorbildlich einhalten, dass sie ganze Vollidiotenkonvois blockieren, bis hinter ihnen die nackte Mordlust ausbricht.
Da bin ich anders, das gebe ich offen zu. Man kann doch nicht aus seiner Haut! Da spielen doch Faktoren eine Rolle, auf die man gar keinen Einfluss hat. Zum Beispiel die Kindheit. Sie müssen wissen: Ich habe einen Bruder, und wir Jungs haben als Kinder viel miteinander gespielt. Und mein Bruder wollte immer und ewig »Olympiade«. Aus meiner Sicht ein saublödes Spiel, weil mein Bruder jede Goldmedaille holte. Der gewann sämtliche Weitsprünge, Stockwürfe, Wettläufe, das Steinestoßen – mühelos! Kunststück, wenn man drei Jahre älter ist. Am Ende saß ich mit Tränen in den Augen neben dem Törchen vor unserem Haus und schwor mir: nie wieder Wettkampf!
Aber dann passierte eines Tages etwas Außergewöhnliches. Ich hockte wie so oft am Törchen, da hielt direkt vor mir ein Auto. Autos kamen in unserer Straße damals nur ein- oder zweimal im Jahr vor, waren also was Besonderes. Am Steuer saß eine Frau. Sie rief uns zu sich, also liefen wir hin und standen mit offenem Mund neben der Fahrertür.
Die Frau sah uns mit hochgezogenen Brauen an und fragte: »Seid ihr Geschwister?«
Ich war empört: » NEIN ! Wir sind Gebrüder!«
Dann fragte sie nach irgendeiner Straße, und als wir die nicht kannten, fuhr sie ganz langsam weiter. Ich aber lief gebückt ein ganzes Stück hinter dem Auto her und atmete die Auspuffgase ein. Sowas gab’s schließlich selten zu schnuppern bei uns im Dorf.
Das war toll! Ich habe diesen Duft tief, tief inhaliert. Und ich bin nie im Leben wieder davon losgekommen. Jede Entziehungskur war vergebens. Sobald ich konnte, habe ich einen Wagen nach dem anderen gefahren. Zuerst einen rheinlandgrauen VW -Käfer, 34 PS. Dann einen Fiat 600, dann einen Opel Kadett, dann kam der R4, dann der NSU Prinz.
Ach, und dann der Manta! Zunächst ohne, ein paar Wochen später mit Motor! In den ersten Jahren konnte ich mir nur gebrauchte Autos leisten oder welche, die teilweise gebraucht waren. Gebrauchtteile holte der Vetter meiner Mutter vom Schrottplatz. Alfred kannte sich aus mit Teilen. Er kannte sie in- und auswendig, er sprach sogar mit ihnen: »Du verfluchtes Drecksteil, ich reiß dich raus aus dem verdammten Schrottkarren, ich mach dich fertig, dich krieg ich ans Laufen, und wenn es Wochen dauert!« Bei meinem Manta dauerte es Wochen, aber dafür funktionierte der Wagen einige Monate.
Autos, Autos, Autos ohne Ende, und wo es ging, hab ich Vollgas gegeben, um aller Welt zu zeigen: Guckt nur, ich habe einen Wagen! Seht ihr das? Hört ihr das? Riecht ihr das? Ha! Jetzt saß ich am Steuer. Jetzt war ich der Pilot, der Steuermann, die Nummer eins.
Kindisch, ich weiß. Außerdem weiß ich natürlich heute wie jeder andere umweltbewusste Bürger: Ich bin ein Klimaschädling.
Aber ich frage Sie: Nützt es den schmelzenden Polkappen irgendetwas, wenn ich meinen Wagen abends nach dem Kino stehen lasse und mit dem Taxi nach Hause fahre? Im Gegenteil: Dann muss ich ja am nächsten Tag gleich nochmal ein Taxi nehmen und das Auto abholen. Wir leben nun einmal in einer automobilen Gesellschaft – das haben wir so gewollt! Da können wir jetzt nicht mit dem Finger auf die kleine Hausfrau zeigen, die mit dem Porsche Cayenne in die City zum Einkaufen fährt; ich meine – sehen Sie sich die Innenstädte doch an! Ich denke gar nicht mal an den Kölner U-Bahnbau; inzwischen hat doch nirgendwo mehr eine Stadt Geld für Straßenarbeiten, in viele kommt überhaupt nur noch mit dem Geländewagen rein!
Nein, aus der automobilen Gesellschaft kommst du nicht raus. Du kommst ja nicht mal ohne Weiteres aus dem ADAC raus! Von dem Verein habe ich vor 30 Jahren mal ein Statement gelesen, das dermaßen umweltfeindlich war, dass selbst mir der Kragen platzte. Ich schrieb also hin und erklärte kurzerhand meinen Austritt. Als Antwort bekam ich ein Schreiben, in dem es hieß, der ADAC sei gar nicht umweltfeindlich, im Gegenteil: Der Umwelt zuliebe setze man sich sogar für mehr Straßen ein. Ich schrieb
Weitere Kostenlose Bücher