Ich leg dir die Welt zu Fuessen
Freundlichkeit wie weggewischt.
„Wie lange gedenken Sie zu bleiben?“, fragte sie schroff.
„Morgen früh bin ich weg“, erwiderte Lizzy.
„Hier in der Gegend, meine ich. Wartet in London nicht eine Horde Schulkinder auf Sie? Rose sagte, Sie hätten nur ein paar Tage Urlaub.“
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“
„Stimmt.“ Sie befanden sich auf halber Höhe der breiten, geschwungenen Treppe. Jessica nahm ein paar Stufen auf einmal, drehte sich um und blickte feindselig auf Lizzy herab. „Tun Sie sich einen Gefallen und verschwinden Sie von hier. Von wegen, Louis musste Sie retten kommen. Mir machen Sie nichts vor. Ich kenne jeden Trick, wenn es darum geht, sich einen Mann zu angeln.“
„Verzeihung, ich verstehe nicht ganz …“
„Ach nein? Machen Sie Louis schöne Augen, solange Sie wollen, aber ich sage Ihnen, Sie verschwenden nur Ihre Zeit. Louis würde sich niemals ernsthaft für Sie interessieren. Er ist sehr wählerisch, was Frauen betrifft. Ein kleiner Flirt aus Langeweile heißt nicht, dass Sie irgendwelche Chancen bei ihm hätten.“
„Ich weiß wirklich nicht, weshalb Sie mir das erzählen“, entgegnete Lizzy kühl. „Louis Jumeau ist nicht mein Typ, und die Tatsache, dass er ein dickes Bankkonto hat, macht ihn für mich nicht reizvoller, im Gegenteil.“ Ihre Schläfen pochten, und ihr war so schwindelig, dass sie sich am Treppengeländer festhalten musste. „Sie können ihn haben.“ Jessicas helles Lachen ging ihr durch und durch.
„Schön, dass wir uns verstehen. Jetzt aber husch, ins Bett mit Ihnen. Sie sind ein bisschen blass um die Nase. So viel Wind und Schnee, das ist gar nicht gut für den Teint …“
Am nächsten Morgen merkte Lizzy schon beim Aufwachen, dass ihr Teint nicht das einzige Problem war. Ihre Stirn glühte, der Kopf dröhnte, ihre Beine waren weich wie Pudding. Sie bekam noch mit, wie Rose besorgt an ihr Bett trat, dann war sie schon wieder weggedämmert.
Als sie das nächste Mal die Augen aufschlug, schien blass die Wintersonne durch die Vorhänge. Ihre Armbanduhr zeigte halb elf. Der pochende Schmerz in ihren Schläfen hatte nachgelassen, doch an seine Stelle war eine lähmende Mattigkeit getreten, die es ihr kaum erlaubte, sich aufzurichten. Sie war so damit beschäftigt, ihre zittrigen Beine unter Kontrolle zu bringen, dass sie Louis erst bemerkte, als er schon im Zimmer stand.
„Was wollen Sie hier?“, krächzte sie heiser und verkroch sich wieder unter die Decke.
„Nach Ihnen sehen. Vor einer halben Stunde war Ihre Schwester bei Ihnen, jetzt bin ich an der Reihe. Sie sind krank.“
Lizzy blinzelte zu ihm auf. Er wohnte nicht einmal hier und sah doch aus wie der Gutsherr persönlich in seinem karierten Hemd und den verwaschenen, tief auf den Hüften sitzenden Jeans. „Ich bin nicht krank“, widersprach sie. „Nur müde. Ich bin niemals krank. Rose ist die Zartbesaitete in der Familie. Ich bin stark wie ein Ochse.“
„Der Arzt kann nicht kommen, wir sind eingeschneit. Sie müssen Ihre Grippe also mit Hausmitteln und reichlich Flüssigkeit bekämpfen“, erwiderte er unbeeindruckt.
Lizzy stöhnte. Jetzt fiel sie ihm doch noch zur Last.
„Wir sind nicht eingeschneit, das kann nicht sein.“
„Wir sind nicht eingeschneit, Sie sind nicht krank …“ Louis ging zum Fenster und zog die Vorhänge auf. Draußen fiel der Schnee immer noch dicht und undurchdringlich. „Laut Wetterbericht soll sich die Lage bis heute Abend beruhigen. Aber kommen Sie nicht auf die Idee, von hier zu verschwinden, ehe Sie wieder richtig fit sind. Das fehlt mir noch, dass Sie im Krankenhaus landen.“
„Besten Dank für Ihre rührende Fürsorge“, murmelte Lizzy.
„Ich lasse Ihnen etwas zu essen bringen. Worauf haben Sie Appetit?“
„Wollen Sie es eigenhändig zubereiten?“
„Würde es Ihnen dann besser schmecken?“
„Nein, bestimmt nicht.“ Ihr glasiger Blick wanderte von seinen breiten Schultern zu seinen schmalen Hüften und den langen, muskulösen Beinen. „Ich müsste befürchten, dass Sie eine Prise Arsen untermischen.“ Sie lächelten einander an, und wieder schien sich die anfängliche Feindseligkeit in prickelnde Erotik zu verwandeln. Rasch wechselte Lizzy das Thema. „Ich muss in die Schule zurück.“
„Ihre Schwester hat Sie bis nach Weihnachten krankgemeldet.“
„Aber ich habe nicht vor, die Feiertage in Schottland zu verbringen!“
„Nein? Wartet denn in London jemand auf Sie? Ach nein, das kann ich mir nicht
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