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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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‘ne Geheimnummer, um nicht dauernd von seinen Studenten aus’m Schlaf gerissen zu werden.
    Und in der HÖV…? Deren Nummer fand er schnell, doch es waren schon alle nach Hause gegangen.
    Erneuter asthmaähnlicher Anfall, krampfartiges Husten und Würgen.
    Weiter! Ewig konnte Ruppert ja auch nicht wegbleiben.
    Die Hunholz-Nummer hatte er im Kopf, und beim Tageblatt war ja in diesen frühen Abendstunden stets Hochbetrieb.
    Zweimal verwählte er sich, dann war sie endlich dran.
    «Brammer Tageblatt, Lokales, Hunholz…»
    «Heike, Mensch, Gott sei Dank! Meine Retterin, heil dir!»
    «Wer ist denn da…?»
    «Na, Jossa, Jens-Otto! Aus’m Knast! Ich sitz hier in Bad Brammermoor in ‘ner Zelle und hab die herzliche Bitte an dich, mich hier rauszuholen. Du, setz dich doch mal schnell ins Auto und…!»
    «Mensch, Jojo, du bist ja mal wieder so besoffen, daß du…!»
    «Ich bin nüchtern, Heike, ich schwör dir, daß ich…!»
    «Hör auf, verdammt noch mal! Meine Mutter ist heute morgen gestorben, und ich hab nun wirklich keinen Sinn für deine kindlichen Späße!»
    Ende, aus, aufgelegt. Er saß da und starrte in die untergehende Sonne, und seit vielen Jahren weinte er wieder einmal.
    Ruppert scheuchte ihn hoch, schmiß ihn quasi raus.
    In der Zelle riß er seinen Schrank auf und suchte nach der Fanta-Flasche mit dem Rest von Mugalles Aufgesetztem, fand sie auch und stürzte das Zeug in ziemlicher Menge hinunter, war Sekunden später völlig abgetreten.
    Als er wieder zu sich kam, lag er auf seiner Pritsche, und Kassau mühte sich mit Nobby zusammen, ihn zum Aufstehen zu bewegen.
    «Zellenkontrolle, hopp, hopp!»
    Nur langsam kriegte er mit, was die O+S-Truppe wollte und warum sie Zweeloo mitgebracht hatten; Nobby sagte es ihm.
    «Da hat jemand ‘ne Lampe gebaut: Im Flügel B soll’n wieder ‘n paar Gehirnkastraten die Leitung angezapft haben.»
    Das alte Lied. Sie hatten in ihren Zellen keine Steckdosen, konnten also auch keine Tauchsieder oder Kaffeemaschinen anschließen und mußten ihre Radios mit Batterien betreiben, was sie alle furchtbar ärgerte, denn bei einem Tageslohn von kaum mehr als sieben Mark ging das ganz schön ins Geld. Kein Wunder, daß es immer wieder welche gab, die den Putz aufkratzten und an die offiziellen Leitungen heranzukommen suchten. Für Zweeloo wäre der Mehrverbrauch an Strom nicht weiter schlimm gewesen, doch seine Beamten kämpften seit Jahren verbissen gegen die Ausstattung der Zellen mit Steckdosen, gaben als Grund die hohen Kosten dafür an, hatten in Wahrheit aber Angst davor, daß ihre Schützlinge womöglich, wie in anderen Knästen schon geschehen, die Türen von innen unter Strom setzten. Auch war es wenig angenehm, bei der Suche nach Rauschgift hinter Bettgestellen und Schränken plötzlich an zwei blanke Drähte zu fassen.
    Jossa war schnell wieder nüchtern geworden, hellwach, vom Adrenalinausstoß hochgepusht, denn er wußte ja nicht, was Mugalle im Hinblick auf das 220 Volt-Problem so alles angestellt hatte; und gab es irgendwo einen geheimen Anschluß, dann hieß das abermals Bunker für ihn.
    Doch etwas anderes lenkte ihn ab: Zweeloos Reaktion auf Mugalles Chantal-Wand. Das waren nicht die geilen Blicke Nobbys und der anderen Männer, auch nicht die alten Zoten derer, die es nur mit Worten konnten, das war, so schien es ihm, unendlich mehr. Komisch. So musterten alternde Männer die Fotos ihrer jungen Geliebten, bewunderten die Körper, die sie schon genossen hatten. Erinnerungen, schnulzig und sentimental, aber insofern auch echt, als sich das wirklich mal ereignet hatte, real, konkret, und nicht nur ein Film war, den man sich angesehen hatte. Diesen Menschen hatte man mit seinem Körper gehabt, gefühlt, gerochen, sich in ihn gebohrt, nicht bloß alles gedanklich getan.
    In dieser Weise wirkte Zweeloo auf ihn. Doch warum prahlte er nicht, mit Chantal geschlafen zu haben, er war doch ganz der Mann dazu? Warum schwieg er und schmunzelte nur, war er ganz stiller Genießer, ganz ein alter Ufa-Star? Ein Eroberer, der seinen Triumph nicht laut bejubeln durfte, der still sein mußte, nur wie ein Pennäler aufstöhnen konnte: Wenn ihr wüßtet…! Und Angst war dabei, die Angst, entdeckt zu werden.
    Schließlich, so fand Jossa, auch eine Regung wie: Du Aas du, ich könnte dich erwürgen!
    Jossa brauchte nachher, als ihn alle wieder allein gelassen hatten, nur zu Kugelschreiber und Papier zu greifen, um diese Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenzufügen und damit eine

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