Ich lege Rosen auf mein Grab
Preise bei allem Mehrumsatz entscheidend unterbieten zu können, hatte aber auch gegenüber den riesigen konzerneigenen Baumärkten draußen auf der grünen Wiese nur einen Vorteil, den der größeren Nähe nämlich, was aber für die Autofahrer wenig wog, wenn sie die Sachen dafür billiger und in erheblich größerer Auswahl kriegten.
Entweder man schrumpfte oder expandierte; bei der derzeitigen Betriebsgröße ging man auf alle Fälle ein.
MUGALLE sah sich die Nachbarhäuser an und wußte, daß eine Erweiterung an dieser Stelle unendlich schwierig werden würde, waren doch eine Kneipe, eine zoologische Handlung und eine Kindertagesstätte zu verdrängen; und dies in einer überproportional starken rot-grünen Ecke der Stadt. Er war auf Evas Meinung gespannt.
Im Büro zurück, saß eine Frau von etwa dreißig Jahren auf seinem Stuhl, an seinem Platz und sortierte da in aller Ruhe Rechnungen. Die Steuerfahndung? Er federte zurück und fragte Buschhaus, der gerne Krimis las, wer das denn sei, eine Kommissarin gar…?
«Nein, die Kollegin Brost. Krankenhaus und Kur, jetzt ist sie wieder da.»
MUGALLE dankte seinem Lageristen und ging zurück, wünschte der Dame einen schönen guten Morgen. «Mugalle, mein Name, ich bin der neue Prokurist hier. Schön, daß Sie wieder da sind…»
«Komm, Martin, nicht so förmlich; wir sind doch hier allein.»
MUGALLE starrte sie an. «Ich wüßte nicht, daß wir beide einmal…»
Sie kicherte. «Nicht nur einmal, du!»
«Damals in der NordInvest… ?»
«Ja, du hast mich doch nach London mitgenommen. Tanja. Du erinnerst dich nicht mehr daran…? Du, ich kratz dir die Augen aus!» Sie machte auf Katze und fuhr auf ihn los.
MUGALLE wich zurück, zumal er draußen auf dem Hof Evas BMW ausrollen sah. «Sie müssen schon entschuldigen, du mußt, ich… Kurz bevor sie mich damals verhaftet haben, hatte ich doch diesen schrecklichen Unfall, auf der Autobahn bei Wildeshausen. Schädelbruch. Und seitdem ist mein Gedächtnis sehr, sehr lückenhaft geworden.»
«Oh, entschuldige.»
«Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du Eva… Also, Frau Schauß und ich, wir sind…»
«Will sie sich mit deinen Millionen sanieren?» lachte Tanja.
«Noch ein Wort davon und du…!» Er zeigte zur Tür.
«Okay, okay!»
Eine kleine spitze Bemerkung einer gekränkten Frau, aber ein Stachel, der ihm tief ins Fleisch gedrungen war, sein Gift erst sukzessive entließ. Doch er schwieg, als Eva das Büro betrat, bemühte sich, aufgekratzt und fröhlich zu wirken. Wenn er etwas fürchtete, dann waren es «Aussprachen». Das lag vor allem an dem, was er in den Monologen mit sich selber, doch auch andern gegenüber als «mein Findelkindgefühl» benannte. Nach seinem schweren Unfall damals, hörte man ihn berichten, sei er in der Klinik als jemand erwacht, der von seinem bisherigen Leben, seiner Vergangenheit nicht mehr den geringsten Schimmer gehabt habe, dem man erst wieder mühsam habe beibringen müssen, daß er Mugalle sei. Keine Eltern da, die ihm hätten helfen können, seine Biographie neu ins Gedächtnis einzuspeichern, sein Vater am Anfang der achtziger Jahre an Krebs gestorben, seine Mutter in einer psychiatrischen Klinik als hoffnungsloser Fall streng unter Verschluß; nur Chantal habe er seine Rückkehr zum normalen Menschen zu verdanken gehabt. Es mache ihn schier wahnsinnig, wenn nun in einer essentiellen Auseinandersetzung jemand an seiner Psyche zu rütteln beginne, und Ausrufe wie «Was bist du bloß für’n Mensch!» oder «Früher bist du doch ganz anders gewesen!» empfände er als absolute Killerphrasen.
So ging er Eva aus dem Wege, wollte mit vorschnellen Vorwürfen nicht alles wieder aufs Spiel setzen, auf der anderen Seite aber auch, bevor sie sich wirklich zu streiten anfingen, absolute Klarheit über die finanzielle Lage ihrer Firma gewinnen. Was lag da näher, als zur Domsheide zu schlendern und bei ihrer Hausbank anzuklopfen, war doch einer der dortigen Direktoren, der Dr. Venne, ein alter Studienfreund von ihm.
«Hallo, Reinhard!» Der Sperrgürtel der Sekretärinnen war glücklich durchstoßen.
«Mensch, Mugalle, Martin, ich werd nicht mehr! Gott, hast du dich verändert, und viel schlanker bist du geworden!»
«… weil ich versucht habe, doch mal durch die Gitterstäbe durchzupassen. Sag mal, hast du Order gegeben, mich hier nicht mehr vorzulassen…?»
«Wie denn…?»
«Na, mich als Vorbestraften nicht mehr…»
«Gott, Martin, das kann doch jedem von uns blühen,
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