Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
du zu Hause und führst Gespräche am Küchentisch.«
»Da hat Andrea eben ein bisschen Schwung in mein Alltagsleben gebracht.«
»Genau. Alltagsleben, das ist das Stichwort. Frisch verliebt sein ist der Ausnahmezustand. Aber dann kommt irgendwann wieder das normale Leben. Und da zählen, wie gesagt, andere Dinge.«
»Klingt total unromantisch«, werfe ich ein.
»Muss es nicht sein«, widerspricht Ilse. »Man muss nur wissen, wie man die Romantik in den Alltag holt. Aber es stimmt schon: Schmetterlinge im Bauch hat man nun einmal nicht ein Leben lang, so etwas gibt es nur in Hollywood.«
»Und bei Mama und Papa«, betone ich noch einmal.
»Vielleicht solltet ihr euch die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was ihr bei einem Partner eigentlich sucht. Wie er sein soll, wofür er sich interessieren müsste, was die wesentlichen Charaktereigenschaften sind, auf die ihr Wert legt.«
»Klar«, meint Ingo. »Und dann setzen wir uns alle in einen Kreis zusammen, reden darüber und bewerfen uns mit Wattebäuschen. Erinnert mich schwer an meine Pädagogikseminare in der Uni und mein Referendariat.«
»Mach dich ruhig lustig«, erwidert Ilse schmallippig. »Ich kann euch bloß sagen, dass man nur etwas finden kann, wenn man auch weiß, wonach man sucht. Diffuse Aussagen wie ›jemanden, mit dem ich glücklich bin‹ funktionieren nämlich nicht, wenn man keine Ahnung hat, was einen überhaupt glücklich macht.«
»Ich muss zugeben, dass das eigentlich gar nicht so blöd klingt«, meine ich nach einer Weile.
»Und ich muss zugeben«, sagt Ingo, »dass mir dieser therapeutische Unsinn auf die Nerven geht. Und deshalb repariere ich jetzt den Boiler.« Er steht auf und marschiert Richtung Badezimmer. Ilse und ich bleiben zurück.
»Tss«, seufzt sie. »Dass mein Neffe auch so ein Dickkopf sein muss.«
»Aber ist doch auch verständlich«, verteidige ich ihn. »Er ist erst gestern verlassen worden, da steht ihm natürlich nicht der Sinn danach, einen Vortrag darüber gehalten zu bekommen, was er deiner Meinung nach immer falsch macht.«
Und mir eigentlich auch nicht, füge ich im Geiste hinzu, nach einer Woche bin ich schließlich auch noch nicht wirklich über den Liebeskummerberg. Instant-Heartbreak-Healing – das wäre was! Wenn einer eine Pille erfinden würde, die man einfach schluckt und zack, bumm, peng, geht’s einem wieder super. Prozac für Beziehungsopfer, das wäre was! Würde ich dann Lovac nennen. Oder auch Love-weg, kicher.
Notiz an mich selbst:
Pharmakologen suchen und
mit ihm zusammen Lovac
erfinden. Damit reich werden.
Und natürlich überaus
begehrenswert. Dann nie
wieder Lovac brauchen!!!
»Vielleicht«, unterbricht Tante Ilse meine geradezu genialen Gedankengänge, »hast wenigstens du Lust, mal eine kleine Traumpartner-Wunschliste zu machen. »Dafür schreibst du erst auf, wie du dich selbst sieht – was du gerne machst, deine Interessen und Hobbys, was du überhaupt nicht ausstehen kannst, was deine Vorzüge, aber auch deine schlechten Seiten sind. Und dann überlegst du, wie das Pendant dazu aussehen könnte.«
»Hm«, erwidere ich. »Könnte ich vielleicht mal machen.«
»Prima«, freut sich Tante Ilse. »Und dann gibst du die Liste mir.«
»Wieso dir?«
Ilse grinst. »Ich denke, ich könnte sie gut für mein Buch verwenden.«
»Das kommt überhaupt nicht infrage!«
»Aber einen Versuch war es wert.«
Ingo kommt zurück ins Wohnzimmer. »So«, stellt er fest, »Boiler ist repariert. War nur eine Dichtung kaputt.«
»Du bist ein Schatz!«, meint Tante Ilse.
»Wollen wir dann los?«, fragt Ingo mich. »Ich glaube, ich muss echt dringend aufs Sofa, die Nacht steckt mir doch ziemlich in den Knochen, und morgen früh heißt es ja wieder ›Guten Morgen, liebe Kinder!‹«
»In Ordnung«, sage ich und stehe auf. Tante Ilse begleitet uns noch zur Tür und lässt es sich wie immer nicht nehmen, jeden von uns mit zwei Küsschen zu verabschieden.
»Meldet euch bald mal wieder!«
»Machen wir«, antwortet Ingo.
»Und jetzt?«, will ich wissen, als wir wieder in Ingos VW Passat sitzen. »Kommst du noch mit zu mir, oder willst du lieber nach Hause?«
»Ich muss nach Hause. Muss noch ein paar Hefte korrigieren.«
»Kriegst du das denn in deinem Zustand hin?«
»Ist nur ein Geschichtstest. Multiple choice, da muss ich nur gucken, welche Kreuzchen richtig und welche falsch sind. Das könnte ich zur Not noch im Delirium schaffen.« Ich lache. »So leicht hätte ich’s im Job
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