Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
…
»Weißt du was?«, stellt Ingo fest, nachdem wir die Übereinstimmungen bei unseren gut hundert Punkten gezählt und immerhin auf gute 90 Prozent kommen.
»Ich glaube schon«, antworte ich und lächele ihn an. »Du und ich«, sagt Ingo das, was ich gerade auch denke. »Wir wären wirklich das perfekte Paar. Besser geht’s gar nicht.« Dann legt er einen Arm um mich und drückt mich an sich.
»Tja«, stelle ich fest. »Rein theoretisch ist das schon richtig. Rein praktisch ist es aber leider so, dass wir überhaupt nicht ineinander verliebt sind.«
»Nichts ist perfekt«, sagt er, nimmt sein Weinglas (natürlich haben wir komplett unvernünftig noch eine Flasche geöffnet) und prostet mir zu.
Notiz an mich selbst:
Dringend darüber nachdenken,
warum der Gott der Verliebtheit
so ein ungerechter,
gemeiner und dreckiger
Hund ist!
3. Kapitel
In meinem nächsten Leben eröffne ich eine Bar. Und zwar eine, die erst abends um acht öffnet. Für meinen Biorhythmus eine absolut vertretbare Zeit. Vertretbarer jedenfalls, als um sechs Uhr morgens aufzustehen, weil der Großmarkt ruft. Im Sommer finde ich das schon nicht toll. Aber im Winter, wenn es auch noch saukalt und dunkel ist, sind Montage und Freitage die Hölle. Erst mit zitternden Händen die Autoscheibe frei kratzen, dann im Wagen mit Tiefkühlfachtemperaturen nach Hammerbrook rauseiern. WI-DER-LICH!
»Moin, Carla«, werde ich von Ole Hansen, einem meiner Haupthändler, begrüßt. »Ganz schön kalt wieder, nech?« Er grinst. Ole ist geschätzte fünfundachtzig Jahre alt und steht trotzdem noch jeden Tag um vier Uhr nachts auf, damit er um fünf oder sechs Uhr seinen Stand in der Halle öffnen kann. Hammer! Aber das ist noch nichts im Vergleich zu den Obst- und Gemüsehändlern, die fangen teilweise schon um zwei Uhr nachts an. Das wäre ja nichts für mich, da wäre ich
nach spätestens drei Jahren tot.
»Moin!«, grüße ich zurück. »Ist meine Bestellung fertig?«
»Aber sicher doch, min Deern.« Er holt einen riesigen Karton aus dem Regal hinter sich und legt ihn in meinen großen Einkaufswagen. »Da is alles drin, was du wolltest.«
Ich faxe meine Bestellungen immer schon vorher an die Händler, damit ich sie nur noch einsammeln muss. Und bei Ole kaufe ich am liebsten. Nicht nur, weil seine Ware absolut top ist, sondern auch weil ich diesen alten, verknitterten Mann irgendwie rührend finde. Und außerdem macht er mir oft reizende Komplimente.
»Schmuck siehste heute wieder aus!«, meint er, während ich auf dem Lieferschein unterschreibe. »Wenn ich noch mal zwanzig Jahre jünger wäre… Na, nix für ungut, min Deern.« Er grinst. Und ich denke, dass es mit zwanzig Jahren weniger auf dem Buckel wohl noch nicht getan wäre. Es sei denn, ich wäre irgendwann so verzweifelt, dass mir selbst das egal wäre.
»Danke, Ole!«, erwidere ich lächelnd. Dann winke ich ihm kurz zu und schiebe meinen Wagen zum nächsten Stand. So sehr ich das frühe Aufstehen und den ganzen Mist hasse – sobald ich in der Halle bin, gefällt mir mein Job wieder ganz gut. Ist einfach eine schöne Stimmung hier, die farbenfrohen Stände, der Blumenduft und dazu noch die Leute, die fast alle unheimlich nett sind. Wie eine große Familie, mit den meisten Händlern bin ich schon ewig per du.
Ich klappere Stand für Stand ab, um die Ware einzusammeln, dann überlege ich, ob ich noch ein paar Dekoartikel besorgen soll. Aber dann verwerfe ich den Gedanken, weil ich mir noch nicht ganz sicher bin, womit ich das nächste Schaufenster gestalten will. Nächste Woche muss schließlich die Valentinstagdeko rausfliegen, dann kommen die Themen Frühling und Ostern dran. Dieser Teil des Jobs macht mir, anders als die Fahrt zum Großmarkt, unheimlich viel Spaß. Da kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen, denn schließlich will ich nicht jedes Jahr die gleiche Deko haben. Ich kenne ein paar Kollegen, die stellen einfach Jahr für Jahr den gleichen Krempel in ihr Fenster, weil sie keine Lust haben, sich was Neues auszudenken. Oder weil ihnen einfach nichts einfällt. Nicht so bei Blütenfest! Unser Schaufenster ist schließlich die Visitenkarte unseres Geschäfts!
»Guten Morgen!« Luzie ist bereits im Laden, als ich ankomme, und trägt gerade den Dekokram raus, den wir immer vors Geschäft stellen.
»Morgen!«, begrüße ich sie. »Aus dem Bett gefallen?«
»Ja«, erwidert sie und grinst. »Matze ist schwer erkältet, da war ich heute früh schon für ihn
Weitere Kostenlose Bücher