Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
zusammen mit Tom, der mich im Arm hält – da würde es mir nicht einmal etwas ausmachen, wenn hier gleich eine mexikanische Folkloregruppe aufspielen würde. Dabei hasse ich Folklore.
»Was machst du eigentlich am Wochenende?«, erkundige ich mich mutig. Denn natürlich hoffe ich, dass er nach unserer überraschenden Wiedervereinigung ein kleines bisschen Zeit für mich hat.
»Bei dir sein?«, erwidert er und grinst mich an. Schon wieder hüpft mein Herz, ich kann es immer noch nicht fassen! Glücklich stelle ich mich auf die Zehenspitzen, um ihm ein Küsschen zu geben.
»Was willst du denn hier?« Direkt neben mir steht eine brünette, schlanke Frau mit hellgrünen Augen und mustert uns ziemlich böse.
»Kathrin!«, ruft Tom aus. »Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet.«
»Ach.« Sie verzieht spöttisch das Gesicht. »Du hättest also nicht damit gerechnet, mich in meiner Lieblingsbar zu treffen?«
Mit einem Schlag fühle ich mich mehr als unwohl. Ich weiß zwar nicht genau, was hier gerade passiert – aber irgendwie funkt mir mein Bauch, dass es nichts Gutes ist.
»Das ist übrigens Carla«, stellt Tom mich der kühlen Brünetten vor, die mich daraufhin mit ihrem Blick ein kleines bisschen erdolcht.
»Hallo«, sage ich und strecke ihr meine Hand hin. Natürlich nimmt sie sie nicht. Mittlerweile hat auch Tom seinen Arm von meiner Schulter genommen, ich fühle mich alles in allem also ein kleines bisschen unwohl.
»Du bist so billig«, schleudert Kathrin Tom entgegen.
»Ich wusste wirklich nicht …«, setzt Tom entschuldigend an.
»So schnell geht das also bei dir!«, zischt Kathrin. »Gleich wieder die Nächste am Wickel. Du bist wirklich das Allerletzte!«
Mit diesen Worten rauscht sie von dannen. Aber leider nicht nur sie – Tom folgt ihr auf dem Fuße.
Die nächsten zehn Minuten werden extrem schön. Für Kathrin und Tom. Für mich persönlich werden sie weniger schön. Denn in einem Anflug von Masochismus lasse ich es mir nicht nehmen, mit anzusehen, wie Tom und Kathrin wenige Meter von mir entfernt heftig diskutieren. Um sich dann schließlich in die Arme zu sinken und sich heftig zu küssen. Damit ist die Vorstellung für mich beendet, auf den Abspann verzichte ich. Ich schnappe mir meine Tasche, verlasse die Bar und winke mir draußen auf der Straße ein Taxi. Dann lasse ich mich als den gedemütigtsten Menschen der Welt nach Hause kutschieren und weine auf der Rückbank ein bisschen vor mich hin. Wieso habe ich mir das wieder angetan? Wieso habe ich zugelassen, dass mir jemand so weh tut? Warum bin ich es, verdammte Scheiße, nicht auch wert, geliebt und gewollt zu werden?
Jetzt muss ich richtig losheulen, der Taxifahrer wirft mir im Rückspiegel einen mitleidigen Blick zu und reicht mir dann ein Taschentuch.
»Danke«, schluchze ich und schnäuze mich geräuschvoll. Als der Fahrer vor meinem Haus hält und ich nach oben zu den dunklen Fenstern sehe, hinter denen einsam und verlassen meine Wohnung liegt, in der niemand auf mich wartet, fasse ich einen spontanen Entschluss.
»Ich will doch woanders hin«, weise ich den Fahrer an. Und gebe ihm Ingos Adresse. Zehn Minuten später stehe ich vor Ingos Tür und klingele. Es dauert eine Weile, bis er mir öffnet. Immerhin ist es schon fast Mitternacht, wahrscheinlich hat er da schon geschlafen. Tatsächlich sieht er ziemlich zerwühlt aus. Weinend falle ich ihm um den Hals und genieße es, von ihm in den Arm genommen zu werden. Als ich mich wieder so weit beruhigt habe, dass ich wieder sprechen kann, mache ich mich von ihm los und sage: »Okay. Lass uns die Sache mit der Therapie versuchen. Ich bin jetzt auch so weit.«
Notiz an mich selbst:
Ich hoffe, nein, ich bete,
dass ich diesen Schritt
niemals bereuen werde!
5. Kapitel
Wir tun es also tatsächlich. Einige Tage später treten Ingo und ich bei Tante Ilse zu unserer ersten Therapiesitzung an. Nachdem ich ihm von den katastrophalen Ereignissen mit Tom erzählt und ihm erklärt hatte, dass ich es nun doch mit ihm versuchen will, hat er gleich am nächsten Morgen bei seiner Tante angerufen. Die war natürlich begeistert, denn so richtig und hundertprozentig hatte sie noch kein Paar aufgetan, das zu dem Experiment bereit war.
So richtig und hundertprozentig wundert mich das jetzt nicht. Um sich auf so etwas einzulassen, muss man schon ziemlich fertig sein. Das bin ich. Und zwar komplett. Tom hat mir den Rest gegeben. Tatsächlich spielt das Geld für mich nur eine
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