Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
mich mit Kompromissen meistens etwas schwer. Nur bei irgendwelchen Typen, die mich verarschen, da lasse ich alles mit mir machen. Allen anderen gegenüber kann ich ein ziemlicher Dickkopf sein. Und wenn es darum geht, welchen Film wir gucken, in welches Restaurant wir gehen oder welcher Sender im Radio gehört wird – da bin meistens ich diejenige, die bestimmt. Aber Ingo ist es meistens auch egal, rechtfertige ich mich selbst. Gnädig schreibe ich »65 Prozent« auf mein Blatt Papier.
Als wir fertig sind, reichen wir Tante Ilse unsere Blätter, die sie interessiert studiert. Hin und wieder gibt sie ein »Hm«, ein »Aha« oder »Oh!« von sich. Vor allem bei »Oh!« wüsste ich gern, bei welchem Punkt sie gerade war. Nach einer Weile blickt sie auf und lächelt uns an.
»Na, das sieht doch gar nicht schlecht aus. Ihr beiden habt wesentlich bessere Ausgangsvoraussetzungen als so manches andere Paar, das hier schon gesessen hat.« Mit diesen Worten legt sie die Zettel so vor uns hin, dass wir sie beide lesen können.
Carla Ingo
Sehnsucht: 15 Prozent Sehnsucht: 30 Prozent
Zärtlichkeit: 10 Prozent Zärtlichkeit: 80 Prozent
Sorge: 90 Prozent Sorge: 100 Prozent
Vertrauen: 90 Prozent Vertrauen: 60 Prozent
Toleranz: 65 Prozent Toleranz: 95 Prozent
Überrascht vergleiche ich unsere Ergebnisse.
»Bei Zärtlichkeit schreibst du 80 Prozent?«, will ich von Ingo wissen.
Er zuckt nur mit den Schultern.
»Äh …«, stottere ich und merke, wie ich rot anlaufe. »Heißt das, du denkst manchmal an Sex mit mir?«
»Du bist eine hübsche Frau«, gibt er zurück, »und ich bin ein Mann – was erwartest du eigentlich?«
»Aber ich bin deine beste Freundin!«
»Und eine hübsche Frau«, wiederholt er.
Tante Ilse schweigt und beobachtet uns amüsiert.
»Ich meine, ich bin schon so oft in Unterwäsche vor dir rumgelaufen«, fahre ich fort. »Und wir haben in einem Bett geschlafen, manchmal sogar in einem nur neunzig Zentimeter breiten – warst du dann etwa erregt?«
»Manchmal schon«, gibt er zu.
»Aber das ist doch wunderbar«, freut Tante Ilse sich.
»Ich weiß nicht«, widerspreche ich. »Wie soll ich denn Ingo gegenüber jemals wieder unverkrampft sein?«
»Jetzt mach mal halblang«, beschwert er sich, »ich werde schon nicht über dich herfallen.«
»Das Thema Sex ist jetzt auch noch gar nicht dran«, versucht Ilse mich zu beruhigen. »Das war nur mal eine Bestandsaufnahme, um zu sehen, wo ihr zwei eigentlich steht.«
»Ja«, stelle ich störrisch fest. »Mein bester Freund würde gern mit mir schlafen, dafür vertraut er mir aber nur zu sechzig Prozent!« Eigentlich hätte ich erwartet, dass Ingo da hundert Prozent hinschreibt. Tja, wie man sich täuschen kann. Ich meine, sechzig Prozent – das ist gerade mal etwas mehr als die Hälfte!
»Also«, sagt Tante Ilse und nimmt die Zettel wieder an sich. »Diese Übung vergesst ihr jetzt einfach mal. Am Ende unseres Experiments werdet ihr das noch einmal aufschreiben – mal sehen, wo ihr dann seid.«
Ja, denke ich maulig, bei Vertrauen gebe ich Ingo dann vermutlich minus zwanzig Prozent. Scheint ein voller Erfolg zu werden, die Sache hier.
Notiz an mich selbst:
Nicht mehr in Unterwäsche
vor Ingo rumlaufen!
»Für heute wäre es das dann auch schon«, erklärt Tante Ilse. »Wir treffen uns nächste Woche zur gleichen Zeit.«
»Ich weiß nicht. Meint ihr, das Ganze hat wirklich Sinn?« Zweifelnd sehe ich erst Tante Ilse, dann Ingo an.
»Wir sind doch erst am Anfang«, erwidert Ingo. »Sei doch nicht so ungeduldig.«
»Am besten«, meint Tante Ilse, »geht ihr jetzt nach Hause und lasst das alles gründlich sacken. Und nächste Woche sehen wir weiter. Bis dahin bekommt ihr aber noch eine Hausaufgabe mit.«
»Eine
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