Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
treten ihr die Tränen in die Augen. So habe ich sie noch nie gesehen, bisher war ich immer der Meinung, für Luzie wäre Liebeskummer ein absolutes Fremdwort. Tja, irgendwann erwischt es wohl jeden von uns.
Ich denke an Ingo. Liebeskummer habe ich zwar nicht, aber trotzdem habe ich ein komisches Gefühl in der Magengegend. Gestern habe ich zweimal versucht, ihn anzurufen, heute früh habe ich ihm eine SMS geschickt. Keine Antwort. Irgendwie funkt mein Bauch mir gerade, dass da etwas nicht stimmt. Bin froh, wenn ich ihn spätestens Mittwochabend sehe und wir alles aus der Welt räumen können.
»Na ja«, unterbricht Luzie meine Gedanken, »vielleicht überlegt er es sich noch einmal und kommt zu mir zurück.«
»Dieser Satz kommt mir so bekannt vor. Wie oft habe ich das schon gesagt – und weißt du noch, was du darauf immer geantwortet hast?«
»Natürlich«, erwidert sie, »wenn das Schicksal euch füreinander bestimmt hat, dann wird es so kommen. Wenn nicht, dann nicht.«
»Siehst du.«
»Blöd nur, dass das mit der fatalistischen Grundeinstellung nicht so gut funktioniert, wenn man selbst emotional so tief drin hängt.« Sie grinst mich schief an. »Es ist eben immer leichter, bei anderen klug daherzureden. Jetzt, wo es mich selbst erwischt hat, würde ich diesem dreckigen Schicksal am liebsten einen mächtigen Tritt in den Arsch geben.« Sie stampft trotzig mit dem Fuß auf.
»Oh, ja, ich weiß. Man möchte das Schicksal manchmal würgen.« Wir müssen beide lachen. Mitten in unser Gelächter hinein piept mein Handy. Ich schnappe es mir und sehe nach. Na, endlich! Eine Nachricht von Ingo. Als ich sie lese, fällt mir die Kinnlade herunter.
Hi, Carla. Hab beschlossen, nicht mehr zu Tante Ilse zu gehen. Wir sehen uns die Tage. I.
»Was ist das denn?«, entfährt es mir.
»Was ist los?«, will Luzie wissen. Ich erzähle ihr kurz, was in Hohwacht passiert ist und dass Ingo und ich eigentlich am Mittwoch mit Ilse in aller Ruhe über das weitere Vorgehen sprechen wollten. Dann zeige ich ihr die SMS.
»Wir sehen uns die Tage. I.?«, liest Luzie vor. »Das klingt ja nicht so sehr nach ihm.«
»›Nicht so sehr nach ihm‹ halte ich für untertrieben. Wenn ich nicht wüsste, dass es seine Handynummer ist, würde ich denken, jemand anderes hätte die Nachricht geschrieben. Allein das knappe I. – nein, das passt nicht zu ihm. Ich ruf ihn mal an.« Aber natürlich geht nur die Mailbox ran. Wirklich sehr komisch, das Ganze. Als nächstes wähle ich die Nummer von Tante Ilse. Nach dem dritten Klingeln hebt sie den Hörer ab.
»Ach, Carla, du bist es«, begrüßt sie mich freundlich, aber irgendwie auch seltsam reserviert. »Ich hab gerade gar keine Zeit, gleich kommt ein Patientenpärchen.«
»Kann ich heute Abend mal bei dir vorbei kommen?«, will ich wissen.
Sie schweigt einen Moment. »Sicher«, sagt sie schließlich. »So gegen acht?«
»Bei dir zu Hause oder in der Praxis?«
»Nein, lieber bei mir zu Hause.«
»Okay, bis dann.« Ich lege auf.
»Sag mal«, fragt Luzie. »Hättest du eigentlich etwas dagegen, wenn ich dich nachher begleite?«
»Was willst du denn bei Tante Ilse?«
»Hm, tja, also ich dachte, vielleicht könnte sie mir auch einen Tipp geben. Wie ich mich Matze gegenüber am besten verhalten soll oder so.«
»Ich weiß nicht, ob Ilse dir da helfen kann. Bei uns hat es ja auch nichts genutzt.«
»Aber es kann auch nichts schaden«, wendet Luzie ein.
»Ehrlich gesagt würde ich lieber allein mit ihr reden.«
Luzie guckt enttäuscht. »Aber ich kann dir ihre Nummer geben, und du machst mit ihr einen eigenen Termin aus. Sie hilft dir bestimmt gern, nichts interessiert Ilse so sehr wie die Liebesprobleme anderer Leute.« Ich nehme Stift und Zettel, schreibe Ilses Nummer auf und gebe sie Luzie.
»Aber mach dir nicht zu große Hoffnungen. Füße stillhalten und abwarten ist vermutlich das Beste, was du tun kannst.«
Wie sich herausstellt, ist Füße still halten und abwarten nicht nur das Beste, was Luzie tun kann – dieser Rat scheint auch auf mich zuzutreffen.
Nach dem wenig erhellenden Gespräch mit Ilse, die mir nur sagen konnte, dass Ingo ihr mitgeteilt habe, dass er keine Lust mehr hätte – über das Warum hat er sich ihr gegenüber ausgeschwiegen und nur gesagt, dass er keinen Sinn mehr darin sehen würde –, herrscht zwischen meinem besten Freund und mir Funkstille.
Ganze zwei Wochen sind seit unserem Wochenende in Hohwacht vergangen, und er meldet sich immer
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