Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
Menge Zeit verbringen und mich nicht – wie so viele andere Kerle – mit den Kindern allein lassen, während er mit seinen Kumpels durch die Kneipen zieht. Von daher wäre er als Erzeuger vermutlich perfekt.
Aber die eigentliche Frage, die wir zuvor immer noch klären müssen – wäre er perfekt für mich? Ich bin auf einmal schrecklich müde, die frische Meeresluft gibt mir gerade mal wieder den Rest. Ingo merkt, dass ich über das Thema im Moment nicht mehr reden will, winkt die Kellnerin heran und zahlt.
Notiz an mich selbst:
Die Kinderfrage ist im
Moment noch nicht dran!
Aber natürlich geht mir das Thema trotzdem nicht aus dem Kopf. Als wir am Abend auf dem Sofa sitzen, ins prasselnde Kaminfeuer gucken und heißen Tee mit Zitrone trinken, geistert die Kinderfrage noch immer durch meinen Kopf.
Im Juni werde ich dreiunddreißig Jahre alt. Das ist zwar nach heutigen Maßstäben noch kein Alter, in dem alles vorbei ist – in Hollywood ist es ja mittlerweile schick, mit Mitte vierzig überhaupt erst anzufangen –, aber leider ist es auch nicht von der Hand zu weisen, dass ich mich allmählich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch mit dem Thema beschäftigen sollte.
Ich beobachte Ingo aus den Augenwinkeln, sehe ihm zu, wie er an seinem Tee schlürft, und stelle mir wieder und wieder die gleiche Frage: Sollen wir es einfach wagen? Nicht lange fackeln, sondern tatsächlich loslegen, es versuchen und hoffen, dass der Rest dann schon noch kommt? Ich verstehe mich doch super mit ihm, das liegt auf der Hand. Fühle mich wohl und geborgen, kann ihm vertrauen.
Ich betrachte sein Profil, seine gerade geschnittene Nase, seine hübschen kleinen Ohren, das etwas zu energische Kinn. Offenbar merkt Ingo, dass ich ihn gerade fixiere, denn unvermittelt dreht er den Kopf zu mir und sieht mich an.
»Ist was?«
Ich zögere einen Moment. Dann stelle ich wortlos meine Teetasse ab, nehme ihm seine ebenfalls aus der Hand und schlinge meine Arme um seinen Hals. Und küsse ihn. Direkt auf den Mund, das volle Programm, ich will jetzt einfach wissen, wie das ist.
Ingo japst überrascht auf, nimmt mich dann ebenfalls in den Arm und erwidert meinen Kuss. Fünf Minuten knutschen wir herum, zwar nicht ganz so wild wie in meinem Traum, aber immerhin so, dass meine Lippen taub werden.
Im Hintergrund prasselt das Kaminfeuer, das Licht ist gedämpft, und alles könnte wahnsinnig romantisch sein – wenn ich nicht auf einmal lachen müsste. Weil es leider überhaupt nicht romantisch ist. Nein, das hier ist kein Mann, nach dem ich mich verzehre. Das ist Ingo, mein bester Freund. Mein Kumpel, mit dem ich durch Dick und Dünn gehen kann. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr. Selbst wenn es sich in meinem Traum ziemlich aufregend angefühlt hat, in der Wirklichkeit ist es leider überhaupt nicht aufregend.
»Was ist denn so lustig?« Ingo mustert mich irritiert.
»Das musst du doch selbst merken«, bringe ich lachend hervor. »Wir beide, das ist doch wirklich zum Piepen!« Ich rücke ein Stückchen von ihm ab und schnappe mir meinen Teebecher. »Das wird einfach nichts, da könnte ich ebenso gut meinen eigenen Bruder – den ich ja leider nicht habe – küssen.«
»Hm«, sagt er nur.
»Nein, mal ehrlich, wir versuchen hier etwas, das nicht funktionieren kann. Du und ich als Paar? Das ist doch absurd, dafür kennen wir uns schon zu lange und zu gut. Die Nummer mit ›Tausendmal berührt‹ – das ist was für kitschige
Schlager.«
Ingo nimmt jetzt auch seinen Tee und nickt. »Hast wohl recht«, stellt er zögerlich fest. »Man kann es nicht mit Gewalt erzwingen.«
»Und man sollte es auch nicht«, füge ich hinzu.
»Nein, wahrscheinlich nicht.«
»War ja eine nette Idee, aber der Praxistest hat gezeigt, dass sie sich nicht umsetzen lässt.«
Ingo setzt seine Tasse ab und stützt sich nachdenklich auf einem angezogenen Knie auf. »Und was machen wir jetzt?«, will er wissen. »Rufen wir Ilse an und sagen ihr, sie soll das Buch beerdigen?«
»Tja, ich weiß auch nicht.« Ich überlege einen Moment.
»Vielleicht sollten wir das mal am Mittwoch zusammen mit ihr besprechen. Von mir aus können wir die Sitzungen auch durchziehen, damit sie genug Stoff zum Schreiben hat.«
»Aber du glaubst überhaupt nicht mehr daran, oder?«
»Wenn ich ehrlich bin, nein.«
»Gut.« Er greift wieder zu seiner Tasse. »Dann reden wir am Mittwoch mit ihr.«
Als ich ein paar Stunden später – es ist schon mitten in der Nacht –
Weitere Kostenlose Bücher