Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
hat ja alles bestens geklappt, an mir ist tatsächlich eine gute Detektivin verloren gegangen. Ha! Hundert Euro pro Stunde, ich komme!
Ich muss auch gar nicht lange warten, da höre ich draußen Geräusche, eine Tür wird geöffnet, dann erklingt die Stimme der Schwester »Frau Beutler, bitte!« Julia Beutler. Heißt sie so? Mir fällt auf, dass ich Julias Nachnamen gar nicht kenne, Ingo hat ihn nie erwähnt. Und ich habe nie danach gefragt.
Ich beuge mich zum Schlüsselloch und linse hindurch. Glück gehabt! Frau Beutler ist niemand anders als Julia, ich sehe gerade noch, wie sie der Sprechstundenhilfe in ein Untersuchungszimmer folgt. Jetzt heißt es nur noch abwarten. Was gar nicht so einfach ist. Denn in den nächsten fünf Minuten ruckelt es gleich dreimal an der Tür, einmal wird sogar geklopft.
»Hallo?«, erklingt irgendwann die Stimme der Sprechstundenhilfe.
»Frau Gottlieb?« Ich sage einfach mal gar nichts, vielleicht verzieht sie sich dann ja wieder. Sie tut es nicht. Wieder wird geklopft und an der Klinke gerüttelt. »Frau Gottlieb? Ist alles klar?« Herrje, die wird hier noch so lange rumschreien, bis Julia wieder rauskommt und es mitkriegt.
»Ja, verdammt«, belle ich daher zurück. »Ich habe Probleme mit meiner Diarrhö!« Auf die Schnelle ist mir nichts anderes eingefallen. Aber es wirkt. Mit einem bedauernden »Oh, Entschuldigung« lässt die Dame vom Empfang mich in Ruhe. Ein paar Minuten später höre ich wieder Stimmen, erneut presse ich ein Auge ans Schlüsselloch. Wenn Luzie mich jetzt so sehen könnte, wäre sie bestimmt stolz auf mich. Und würde mich für verrückt halten, aber da nehmen wir uns ja nichts.
»Lassen Sie sich für nächste Woche noch einen Termin geben«, sagt eine groß gewachsene Frau im weißen Kittel.
»Dann sieht man auf dem Ultraschall bestimmt noch mehr.«
»Das wäre super!« Das ist Julia. Ich kann sie zwar nicht sehen, weil die Ärztin vor ihr steht, aber ich erkenne ihre Stimme. Außerdem kann ich einen Blick auf ihre Schuhe erhaschen, die habe ich an Julia schon oft gesehen. »Dann bringe ich meinen Freund mit, der ist natürlich auch schon total neugierig.«
Ultraschall? Mehr sehen? Freund mitbringen? Ich spüre, wie mir schlagartig das Blut vom Kopf in die Füße sackt und ich drohe, auf der Stelle ohnmächtig zu werden. Mit letzter Hoffnung kralle ich mich an den Gedanken, dass es ja vielleicht um etwas vollkommen anderes geht als um das, was ich gerade befürchte. Nur fällt mir auf Anhieb leider rein gar nichts ein, was man sich per Ultraschall begucken könnte. Und wozu man dann auch noch seinen Freund mitnehmen würde, der sich ebenfalls an dem Anblick erfreuen möchte.
»Beim nächsten Mal bekommen Sie dann auch ihren Mutterpass«, zerstört die Ärztin mit einem einzigen Satz mein Leben. »Wir schicken Ihre Blutproben gleich ins Labor.«
»Sie glauben ja gar nicht, wie sehr mein Freund und ich uns auf das Kind freuen!«, platzt es nun aus Julia heraus.
»Es war zwar nicht geplant, aber seit wir es gemerkt haben, sind wir selig.«
»Dann gratuliere ich Ihnen und Ihrem Partner mal unbekannterweise.«
»Danke, bis nächste Woche!« Die Tür zur Praxis wird geöffnet und wieder geschlossen, ich sacke – mal wieder! – auf einem Toilettensitz in mich zusammen. Julia ist also schwanger. Von Ingo. Sie sind selig, sie freuen sich. Ich möchte sagen: Ich kann sämtliche Beobachtungen von meiner Seite aus einstellen.
Fünf Minuten verharre ich noch fassungslos auf der Toilette, dann richte ich mich auf und verlasse das WC. Wortlos will ich aus der Praxis verschwinden, werde aber von der Sprechstundenhilfe zurückgehalten.
»Frau Gottlieb? Was ist denn mit Ihrem Termin? Sie könnten jetzt gleich zur Ärztin rein.«
»Schon gut«, winke ich müde ab. »Ich hab mich in der Fachrichtung vertan, ich brauche gar keine Frauenärztin.«
Die Sprechstundenhilfe nickt. »Hab ich mir schon gedacht, als Sie das eben mit dem Durch … na ja, Ihrem Problem sagten. Hier im Haus ist aber auch ein ganz hervorragender Proktologe, direkt in der Etage unter uns.«
Ich werfe ihr einen dankbaren Blick zu, sie versucht ja nur, mir zu helfen. »Das ist nett von Ihnen«, sage ich. »Aber ich fürchte, ich brauche einen Herzspezialisten.«
Nachdem ich Luzie per Handy kurz die katastrophalen Neuigkeiten berichtet habe, nehme ich mir den Tag frei und fahre spontan zu meinen Eltern. Montags hat die »Hamburger Stuuv« Ruhetag, also müssten sie zu Haus sein. Mir ist jetzt
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