Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
Seit geschlagenen zehn Minuten – es ist kurz nach acht – stehe ich vor Ingos Haustür und traue mich einfach nicht, die Klingel zu drücken. Dabei ist das eigentlich mehr als albern, denn ich weiß ja schon längst, was er mir heute Abend verkünden will. Ich denke, das Problem ist eher, dass ich nicht weiß, ob ich es wirklich schaffen werde, mich im Griff zu haben. Allein die Vorstellung, dass ich nach seiner Verlautbarung sofort in hysterisches Geheul ausbreche, würde mich normalerweise dazu bringen, sofort nach Tadschikistan auszuwandern. Aber das geht natürlich nicht. Weil ich zum einen nicht weiß, was Blumenladen auf Tadschikisch heißt, und weil ich zum anderen wenigstens Ingos und meine Freundschaft retten will. Und dafür muss ich jetzt eben in den sauren Apfel beißen, die frohe Kunde über mich ergehen lassen und mein restliches Leben einfach nur so tun, als würde ich mich echt total für die beiden freuen. Ist doch ein Kinderspiel. Um zehn nach acht, ich habe immer noch nicht die Klingel gedrückt, bimmelt mein Handy. Es ist Ingo.
»Hi Carla«, meldet er sich, »kommst du noch?«
»Klar.« Meine Stimme zittert. »Wollte gerade bei dir klingeln, stehe schon vor deiner Tür.«
»Super.« Der Türsummer erklingt. Na dann, denke ich, bring das mal mit Anstand hinter dich.
Schon Ingos Anblick lässt mich schwer daran zweifeln, wie anständig ich das hier schaffen werde. Er trägt ein dunkles T-Shirt, seine blauen Augen leuchten, er ist frisch rasiert und duftet einfach so gut, dass ich ihn direkt nach dem obligatorischen Begrüßungsküsschen auf die Wange am liebsten sofort auffressen würde.
»Schön, dass du da bist«, sagte er und sieht mich – wie ich meine – beinahe zärtlich an. Die Vaterfreuden haben ihn scheinbar schon weich gespült, normalerweise begrüßt er mich gern mit einem markigen »Na, du Kuh?« oder ähnlichem. Julia hat ihn echt verändert, er gefällt mir noch besser als vorher schon. Dann hilft er mir auch noch aus dem Mantel, was ich – wenn wir nicht gerade in ein Restaurant gehen – eigentlich noch nie bei ihm erlebt habe.
»Danke«, sage ich und prüfe mit einem schnellen, kritischen Blick in den Spiegel im Flur mein Aussehen. Doch, so kann ich mein Henkersgespräch führen. Ich trage einen schmalen Jeansrock, der bis zum Knie geht, darüber eine romantische Wickelbluse mit V-Ausschnitt, meine Schuhe stecken in offenen Sandaletten, und ich habe mir zur Feier des Tages sogar die Fußnägel lackiert. War zwar ein mittelschwerer Akt, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen. Und da man in Sachen Händen bei einer Floristin ja bekanntlich nichts retten kann, ist es doch schön, dass wenigstens meine Füße vorzeigetauglich sind.
»Hübsch siehst du aus«, kommentiert Ingo, der meinen Blick in den Spiegel peinlicherweise wohl bemerkt hat.
»Danke«, sage ich noch einmal und werde rot. Dann folge ich Ingo ins Wohnzimmer – und bleibe überrascht stehen.
»Hast du was Besonderes vor?«, will ich wissen und lasse meinen Blick über den sorgfältig gedeckten Tisch, die brennenden Kerzen und die Karaffe mit dem bereits dekantierten Wein gleiten. Im nächsten Moment würde ich mir am liebsten auf die Zunge beißen. Klar hat er was Besonderes vor, ich weiß es ja schon längst.
»Dachte nur, wir machen uns einen netten Abend«, antwortet Ingo glücklicherweise ausweichend, womit mir der Moment der Wahrheit noch ein bisschen erspart bleibt. Er geht auf einen der zwei Stühle zu, zieht ihn ein Stück zurück und deutet mir, Platz zu nehmen. Das tue ich. »Bin sofort wieder da.« Er verlässt das Wohnzimmer, allerdings nicht, ohne auf dem Weg nach draußen noch die Stereoanlage einzuschalten. Ich erstarre für einen Moment: Es ist die Filmmusik, die wir auch schon bei unserem Kuschelabend gehört haben. Das ist ja mal wieder typisch Mann, haben nur eine CD im Repertoire, die sie dann für alle Anlässe benutzen. Vermutlich hat er Julia bei dieser Musik auch schon … Ach, ich will gar nicht dran denken. Ist ja auch unterm Strich total egal, nur das Ergebnis zählt.
Ingo kommt zurück und balanciert zwei große Suppenteller. »Beginnen wir«, erklärt er lächelnd, »mit einer Kürbiscremesuppe mit feinem Walnussöl.«
»Wow«, sage ich, als er mir den dampfenden Teller hinstellt. »Selbst gemacht oder aus der Dose?«
Ingo zögert einen Moment. »Aus der Dose«, gibt er dann etwas verschämt zu und setzt sich auf seinen Platz. »Aber immerhin habe ich das Öl selbst und
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