Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
einfach danach, kurzfristig mal wieder vierzehn zu sein und zu Hause auf den Schoß zu krabbeln.
»Hallo, Schatz!«, werde ich von meiner Mutter begrüßt. Sofort sieht sie mir an, dass mit mir etwas nicht stimmt, und macht ein besorgtes Gesicht. »Was ist denn passiert?«
»Nichts«, antworte ich. »Aber irgendwie auch alles.« Und dann weine ich ein bisschen und lasse mich von meiner Mama in den Arm nehmen.
»Aber warum hast du Ingo denn nicht gesagt, was du für ihn empfindest?«, will Mama wissen, nachdem ich ihr in einem einzigen Redeschwall alles erzählt habe. Wir sitzen in der Küche, meine Mutter hat Tee gekocht und mir ein paar Butterbrote geschmiert. Das hat sie früher, als ich noch klein war, auch immer gemacht, wenn ich Kummer hatte.
»Du bist nach Luzie schon die zweite, die mich das fragt.«
»Und warum nicht?«
Ich seufze. »Weil es mir damals, als wir die Therapie gemacht haben, noch nicht klar war. Und als es mir klar war, war es zu spät, denn da hatte Ingo schon seine Julia. Das heißt«, korrigiere ich mich, »genau genommen ist es mir erst in dem Moment klar geworden, als ich ihn das erste Mal mit Julia gesehen habe.«
»Das ist ja auch irgendwie typisch.«
»Was meinst du?«
»Na ja, dass du erst dann merkst, was du für jemanden empfindest, wenn er schon eine andere hat.«
»Leider stimmt das wohl«, gebe ich zerknirscht zu. »Ich hätte schon viel früher sehen müssen, dass Ingo ein toller und liebenswerter Mann ist. Bin halt echt eine blöde Kuh.«
»Jetzt sei mal nicht zu streng mit dir«, erwidert meine Mutter.
»Allerdings«, füge ich noch hinzu, »heißt das ja trotzdem nicht, dass es irgendwas geändert hätte. Also, ich meine, selbst wenn ich früher mit Ingo gesprochen hätte, wäre das ja keine Garantie dafür gewesen, dass er meine Gefühl erwidert.«
Nun ist es an meiner Mutter, zu seufzen. »Kindchen, Kindchen«, meint sie. »Wie blind bist du eigentlich?«
»Blind?«
Sie nickt. »So lange ich denken kann, ist Ingo doch schon verliebt in dich.«
»In mich verliebt?« Langsam komme ich mir vor wie ein Papagei.
»Aber natürlich! Zumindest seit ihr Teenager seid.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Weil man ihn zum einen nur ansehen musste, um das zu wissen. Zum anderen kenne ich die Geschichte mit dem Kuss.«
»Wie bitte?«
»Natürlich. Tante Ilse hat sie mir damals erzählt. Dass Ingo so großen Liebeskummer hatte und darüber gar nicht mehr hinwegkam.«
»Das hat sie dir erzählt?« Mir war gar nicht bewusst, dass es für Ingo damals wirklich so richtig schlimm gewesen war. Ich hatte gedacht, es hätte ihn höchstens mal kurz im Ego gekränkt und gut.
»Ja, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Ingo wollte auf gar keinen Fall, dass du es weißt.«
»Aber da waren wir Kinder«, widerspreche ich. »Inzwischen sind doch so viele Jahre vergangen.«
»Ja, und Ingo war auch noch so viele Jahre in dich verliebt. Was meinst du, warum er sich gemeinsam mit Tante Ilse die Sache mit der Paartherapie ausgedacht hat?«
Mir fehlen die Worte, ich falle gerade von einer Ohnmacht in die andere. »Ingo hat sich das ausgedacht, weil er verliebt in mich war?«
Wieder ein Nicken. »Er hat das zwar so nie zugegeben – aber wir wussten alle, was in Wahrheit dahintersteckt.«
Ich sacke in mich zusammen. »Wenn ich das nur gewusst hätte!«
»Dann hätte es rein gar nichts geändert«, stellt Mama fest. »Denn du musstest erst an den Punkt kommen, an dem du seine Gefühle erwiderst.«
»Tja«, seufze ich. »Schade nur, dass ich offenbar erst in dem Moment an diesen Punkt gekommen bin, in dem es keine Rolle mehr spielt.« Dann kommt mir einen Moment lang ein neuer Gedanke. »Sag mal, könnte es nicht sein, dass Tante Ilse Ingo den Rat gegeben hat, mich eifersüchtig zu machen? Das haben Luzie und ich nämlich eine Zeitlang schon vermutet.«
Mama schüttelt den Kopf. »Nein, das habe ich sie auch schon gefragt.«
»Das hast du sie auch schon gefragt?«
»Ich wollte wissen, was es mit dieser Julia auf sich hat. Weil ich ja schon bemerkt habe, dass dir die Sache offenbar nicht sonderlich gut gefällt.«
»Dir kann ich wohl auch nichts vormachen.«
»Nein«, sie lacht, »kannst du nicht.«
»Es war also nicht Tante Ilses Idee?«
»Leider nicht. Ich wünschte, ich könnte etwas anderes behaupten, aber Ilse meint, es wäre wohl etwas Ernstes. Und wenn Julia von Ingo nun auch noch ein Kind erwartet, ist es wohl in der Tat etwas Ernstes.«
»Verdammt!« Ich haue
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