Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
halbwegs intelligenten Menschen doch einleuchten.
»Alles klar?«, fragte Louis und drehte sich nach ihr um.
»Perfekt«, sagte sie.
»Prima, denn wir müssen jetzt los. Unser Flight hat gleich Abschlagzeit, und ich weiß nicht mal, wo das erste Loch ist. Du?«
Liane zuckte mit den Achseln. »Mir ist alles recht.«
Der Platz war eine unglaubliche Erfahrung für sie. Nicht nur, dass alles zugewachsen schien und Liane mit Mühe das Fairway als grünen Fleck in der Ferne erkennen konnte, auch die Damenabschläge lagen ungewöhnlich: teils hinter denen der Herren, schräg auf der Seite oder am Fuß eines Hügels. Dabei wurde hier auch die Women’s British Open ausgetragen. Vielleicht lag es an der Tradition, dachte sie, während sie über den Platz ging. 1889, als der Royal Birkdale Golf Club gegründet wurde, waren Damen auf dem Golfplatz wahrscheinlich so gern gesehen wie Kakerlaken in der Küche – sprich, sie fanden nicht statt. Liane nahm es mit Humor, und der Platz forderte auch dazu heraus. Sandbunker, die mit Steilwänden zum Green zeigten, dabei aber so zahlreich waren wie Löcher im Schweizer Käse. Dazu ein nasskalter Wind mit gelegentlichen Regenschauern. Zwischendurch trübte auch die Sicht ein, aber genau das machte es am Schluss aus. Nicht nur Liane schlug Bälle ins allgegenwärtige Dickicht, auch ihre Flightpartner. Die achtzehn Löcher waren nicht nur eine große Herausforderung, sondern auch ein großer Spaß. Erstaunlicherweise verbesserte sie sich von Loch zu Loch, oder lag es an dem Schluck Cognac, den der Busfahrer jedem beim Aussteigen angeboten hatte? Wirkte er jetzt endlich?
Ihre Flightpartner waren spitze. Wenn etwas nicht klappte, kam sofort Trost, wenn der Ball flog, der Applaus. »Schöner Schlag«, lobte Louis und schob seine nasse Baseballkappe nach hinten. In dem Dunst sah er irgendwie verwegen aus, wie ein Engländer auf Fasanenjagd. Dabei wäre die sogar einfach gewesen, einige spazierten hier entspannt herum, man musste eher aufpassen, dass man sie nicht versehentlich traf.
Selten war Liane so zügig und dabei so angeregt über einen Golfplatz gegangen. Bei Loch 18 fand sie das Spielende direkt schade, und als ihr Ball auch noch in den letzten Sandbunker vor dem letzten Green flog, ärgerte sie sich nicht einmal. Es war ihr klar, dass vom nahen Clubhaus nun alle zusehen konnten, wie sie sich mit ihrem im Sand vergrabenen Ball abplagen würde, aber es störte sie nicht, ihre gute Laune trübte es nicht. Sie hob den Schläger, suchte den besten Winkel zum Ball und schlug. Wie auch immer es geschah, es geschah: Der Ball flog hinaus und rollte bis kurz vors Loch. Ein Meisterschlag. Liane hätte jubeln können, entschied sich aber dafür, den Erfolg ganz gelassen zu nehmen. As usual, dachte sie und warf nur Louis einen schnellen Blick zu, der anerkennend das Kinn vorschob.
»Manchmal wartet das Glück bis zuletzt«, sagte sie in die Runde, als die vier Flightpartner sich neben der Fahne die Hand schüttelten und sich gegenseitig für das schöne Spiel bedankten.
»Du hast es dir bis zuletzt aufgespart«, sagte Peter, »ich dagegen habe es schon beim ersten Loch aufgebraucht …« Sie lachten und machten das Loch für den nachrückenden Flight frei.
In der Lounge warteten bereits ein frisch gezapftes Lager und eine Suppe mit Sandwiches auf sie.
Liane setzte sich trotzdem noch mal schnell ab. In der Damentoilette zog sie ihr Handy heraus. Dies war der einzige Ort, an dem man ungestört telefonieren durfte. Frauen hatte sie bislang keine gesehen. Hunde auch nicht.
Sie schrieb an die eingegangene Nummer zurück. »Hi stranger, you forgot your briefcase …«
Die Antwort kam postwendend: »It was the only way to see you again.«
Liane lächelte in sich hinein. Es gab ihr ein gutes Gefühl. Überhaupt, alles um sie herum gab ihr im Moment ein gutes Gefühl. Die Aufmerksamkeit der Golfpartner, das Interesse des Unbekannten, die Gewissheit, nicht so schlecht gespielt zu haben, wie sie befürchtet hatte, die frische Luft, die Bewegung über zehn Kilometer, die Freude, auf einem berühmten Golfplatz zu sein. Selbst das englische Wetter gefiel ihr. Alles jubelte ihr im Moment zu. Außer Biggi vielleicht, dachte sie im selben Moment, aber das kratzte sie nicht.
»Willst du sie bei mir abholen?«, schrieb sie auf Englisch zurück.
»Wo? In Manchester? Brrr. Ich zeige dir Rom bei Nacht.«
Rom bei Nacht. Schon wieder eine Verlockung.
»Ich buche dir einen Flug, du musst mir nur deinen
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