Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Leib und Seele zusammen«, sagte sie und angelte nach einem Tintenfischring.
»Ja, manche Sprüche sind zwar uralt, aber sie haben was.«
»Vielleicht gerade deshalb. Es steckt Erfahrung drin.«
»In Männern über fünfzig auch.«
Liane sah auf. »Ja? Und welche?«
Er musste lachen, so herzhaft, dass es ansteckend war. Liane lachte mit und spürte, wie sich in ihrem Bauch etwas löste. Das Glücksgefühl, das sie schon vorher auf der Mauer gespürt hatte, kehrte zurück.
»Meine Erfahrung sagt mir zumindest, dass ich mit dir morgen ein Stück über die Insel wandern will. Kennst du Ibiza gut? Hast du Lust?«
»Bisher kenne ich nur einen Strand, S’Aigua Blanca.« Kurz hatte sie Marius und Cindy vor Augen.
»S’Aigua Blanca ist nicht mein Strand.« Oliver schüttelte leicht den Kopf. »Zu schmal und auch zu schlecht zu erreichen. Bis man unten und dann wieder oben ist, ist man im Sommer verglüht. Und wegen seiner Größe ist er auch zu schnell zu voll.«
Ja, das stimmte, der steile Weg die Klippen hinunter war nicht ohne, aber Liane hatte das heute nicht gestört. Hinunter war sie in fröhlicher Erwartung gegangen, und hinauf hatten sie wütende Gedanken getrieben.
»Ja, aber dafür schön.«
»Schön ist hier vieles. Die Insel hat viele Gesichter und dadurch auch viele Reize.«
Liane erwiderte nichts. Viele Gesichter, viele Reize? Das hörte sich schon wieder so tiefgründig an. »Gern«, sagte sie und unterdrückte eine Gähnattacke. »Ich bin heute erst angekommen«, fügte sie schnell zu ihrer Entschuldigung hinzu. »Und die Tage zuvor waren etwas hektisch.«
»Wo wohnst du denn hier?«
Liane zögerte. »In einer Hotelanlage oberhalb von Santa Eulalia.«
»Ich fahr dich gern nach Hause.«
»Ich kann auch ein Taxi nehmen …«
»Ich wohne auch bei Santa Eulalia, etwas weiter im Landesinneren. Das ist kein Umweg, gönne mir die Freude, mit dir durch die Nacht zu fahren.«
Heiliger Christophorus, dachte sie, worauf ließ sie sich da wieder ein? Er sah so fröhlich und erwartungsvoll aus, aber waren nicht gerade die liebevollen Menschen von nebenan die gefährlichsten Verbrecher, Serienkiller und Sadisten?
»Aber wenn du mir nicht traust? Ich könnte es verstehen …«
»Kannst du Gedanken lesen?«
Er musste wieder lachen und winkte dem Kellner. »Es war dir anzusehen, was du gedacht hast. Steile Falte zwischen den Augen, den Mund verschlossen, die Augen auf die restlichen Tintenfischringe gerichtet, ohne sie wahrzunehmen, klar hast du an etwas ganz anderes gedacht. Entweder an deinen Mann, den du nicht mit mir betrügen willst, oder daran, dass du mit mir überhaupt nichts anfangen willst und deshalb auch lieber allein mit dem Taxi fährst.«
Liane nickte. »Ist in Ordnung«, sagte sie. »Ich werde nichts mit dir anfangen, du darfst mich aber trotzdem ins Hotel fahren, wenn du das jetzt noch willst.«
Er hatte ein altes schokoladenbraunes VW -Cabrio mit beigem Verdeck, das er offen an der Straße abgestellt hatte. Liane war entzückt. Als Studentin hatte sie auch einen alten Käfer gehabt, den sie damals für achtzig Mark von einem Kommilitonen übernommen hatte. Oliver hielt ihr galant die Tür auf. Zum hellen Verdeck hatte der Wagen passende Sitze, und auch die kleine Vase mit der roten Nelke am Armaturenbrett fehlte nicht. Das war wirklich ein Schmuckstück.
»Phantastisch!«, rief Liane ehrlich begeistert. »Hättest du das gleich gesagt, hätte ich nicht lange überlegt.«
»Baujahr 67.« Aus Olivers Gesicht sprach der pure Stolz. »Ja«, fügte er selbstsicher an, »Männer und ihre Spielzeuge.«
»Schönes Spielzeug!« Liane strich mit den Fingerspitzen über den Lack des Armaturenbretts. »Wenn das so ist, bin ich auch männlich.«
»Schön!« Oliver lächelte ihr zu, bevor er startete. »Nicht jede Frau versteht die Faszination eines alten Autos. Schnell werden wir allerdings nicht sein, er hat nur 44 PS .«
Die sprangen jetzt mit dem Sound an, den Liane noch immer als typischen Käferton im Ohr hatte. Sie lehnte sich zurück und genoss zuerst den spektakulären Blick auf das hell erleuchtete Ibiza und anschließend die Fahrt durch die Nacht, den Mondglanz über dem Meer und den Käfermotor im Rücken, der mit seinem Klang alte Erinnerungen weckte.
»Es ist wunderschön.« Seine Hand lag entspannt auf dem Lenkrad, und sie berührte kurz seinen bloßen Unterarm, um sich mit dieser Geste zu bedanken. Er sah zu ihr hinüber und lächelte sie an. Das Leben kann doch so einfach
Weitere Kostenlose Bücher