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Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können

Titel: Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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such die Schlüssel stets für Dich
und kann es manchmal nicht verwinden.
Ich weiß, der eine für die Türe,
die uns zu Deiner Seele führe,
den werd ich niemals, niemals finden.
    (Julia Moll-Rakus in: Bunter Vogel ,
Zeitschrift für Gestützte Kommunikation, Juli 2010,
www.jumora.de)

Ganz unten
    Zur Diagnose sind wir nach langem Herumgestochere auf die harte Tour gekommen: Wir schulten Simon ein. Wie schon beim Eintritt in den Kindergarten, erfolgte auch diesmal wieder ein totaler Zusammenbruch.
    Wir hatten lange hin und her überlegt, als Simons siebter Geburtstag nahte. Die Einschulung zum sechsten hatte sich ja noch elegant umschiffen lassen, da mein Sohn im September geboren ist. Nun mussten wir uns in irgendeiner Weise dem Schulsystem nähern. Aber wie?
    Simon hatte sich in Peters Gruppe prächtig entwickelt, was hieß, er machte, wenn man ihn an der Hand nahm und die ganze Zeit führte, bei Gruppenspielen mit, er antwortete auf die Fragen, was er zum Frühstück essen wollte, mit »Marmelade«, »Wurst« oder »Käse«, und ahmte im Morgenkreis zum Gaudium aller Tierstimmen nach, froh über das Gelächter, das er damit auslöste.
    Simon wollte in die Schule, wie die anderen Kinder, außerdem hatte Peter Bedenken, ihm noch gerecht werden zu können, wenn die neuen Kleinen kamen. Andererseits: Würde er in einer Schulklasse an seinem Tisch sitzen bleiben? Würde er Anweisungen befolgen, die nicht direkt an ihn, sondern an eine Gruppe gerichtet waren? Würde er mit einem fremden Menschen sprechen? Was tat er in der Pause, wenn es keine Anleitung gab, wie und wohin er sich wenden und was er tun sollte? Simon war in vieler Hinsicht ein riesiges Fragezeichen. Schon der Gedanke, ihn allein an seinem Tisch zurückzulassen und aus dem Raum zu gehen, ohne ihm beistehen zu können mit etwas Halt, war mir mehr als unheimlich. Was würde Simon dann tun?
    Vor allem: Was sollten wir tun? Wir mussten jetzt die Weichen stellen, es hing so vieles davon ab. Aber wir waren ratlos. Kein sicheres Wissen, kein Bauchgefühl mehr, nichts, was uns weitergeholfen hätte. Auch von Simon kam kein klares Signal, kein eindeutiger Hinweis. In uns und um uns herum nur Möglichkeiten, Hoffnungen, Vagheiten. Ich hatte das Gefühl, mit dem Rücken zur Wand zu stehen und Simon vor allem und jedem beschützen zu müssen. Und doch war da zugleich etwas in mir, das liebend gerne den Raum verlassen und die Verantwortung für Simon jemand anderem übergeben hätte.
    Wir dachten zunächst an eine erneute Rückstellung. Wir berieten uns mit den Therapeuten der Frühförderung. Wir ließen Simon einen nicht sprachgestützten Intelligenztest machen, eine Tortur, nicht seine erste; Kinder, die von der Norm abweichen, werden in ihrem Leben vielfach getestet und müssen sich beweisen. Simon kooperierte nicht gerne, schon die Grundsituation, einem fremden Menschen gegenüberzusitzen und mit ihm kommunizieren zu müssen, war nichts für ihn, der fremde Räume, fremde Menschen und das Sprechen nach wie vor gerne mied, zumal in dieser Kombination. Bei jedem einzelnen dieser Tests flossen Blut, Schweiß und Tränen. Die Ergebnisse – aus meiner Sicht war es erstaunlich, dass es überhaupt zu Ergebnissen kam – waren stets schillernd. Nach einer Weile, in der er auf die Fragen antwortete bzw. reagierte, also auf die richtigen Puzzleteile deutete oder Figuren nachzeichnete, brach seine Mitarbeit in der Regel ein. Das wurde als Nichtwissen bzw. Nicht-mehr-Wissen gewertet, da der Schwierigkeitsgrad der Fragen stieg. Andererseits beantwortete er manchmal Fragen im hinteren Teil des Tests, die besonders schwierig waren. War es also doch kein Nichtwissen, sondern Unlust, Unfähigkeit, sich zu konzentrieren, oder gar Unterforderung? Das konnte niemand sagen, aber der Grundsatz in dubio pro reo gilt bei Intelligenztests natürlich nicht. Es zählte, was auf dem Papier stand: geistige Behinderung und niederer IQ . Mit anderen Worten: Wir sollten in der Förderschule vorstellig werden.
    So ganz mochte ich diesen Weg nicht akzeptieren. Ich war mir sicher, dass in Simon im Grunde ein wacher Geist steckte. Andererseits: Allein der Gedanke an Simon allein in einem Klassenzimmer oder gar auf dem Schulhof … jede »normale« Schulform schien ein Unding zu sein. Dennoch drückte ich meine Ahnung, dass eine Förderschule besser für ihn

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