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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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antike Taschenuhr mit Sprungdeckel in die Brusttasche. »Damit hast du mir eine echte Freude gemacht, Liebes.«
    Das Telefon klingelte. Seine Frau kam ihm zuvor:
    »Es ist für mich. Gute Nacht, hab Dank für alles. Und noch viel Spaß.«
    Er wollte etwas fragen. Aber er ließ es.
    Hilde empfängt ihn an der Tür ihres Puppenheims. In der neuen Leopardenjacke.
    »Oh du! Genau die hab ich mir gewünscht! Und wie sie paßt! Du bist ein Hellseher. Und all die andern Sachen! Hast mich so verwöhnt und jetzt kommst du selber noch. Vielen, vielen Dank! Mach dir’s bequem. Ich hole Monika. Hab sie grade ins Bett gebracht.«
    »Laß sie schlafen. Frohe Weihnachten.«
    »Ja, dir auch. Jetzt wollen wir feiern. Alle zusammen. War doch recht traurig ohne dich. Hier stehen Plätzchen und da dein Wein. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß du noch kommen würdest. Ich hole jetzt Monika, dann zünden wir die Kerzen an, dann bekommst du dein Geschenk und dann wollen wir singen.«
    Für die Pause bis zum Beginn des angekündigten Programms legt Hilde ihm einige zusammengeheftete Zeitungsausschnitte auf die Lehne. Da steht von dem beispielhaften Fall zu lesen, daß ein Chef seine Gastarbeiter persönlich zum Weihnachtsurlaub verabschiedet hat. Tenor der Meldungen: Eine noble Geste, die es verdiente, Nachahmer zu finden, weil sie geeignet erscheint, alte wie neue Vorurteile beseitigen zu helfen. Dazu sein Bild, das >gütige< wie er es nennt, aufgenommen vor drei Jahren bei Brockhoffs. Nur eine kleine Bestätigung gewiß, doch wie wohltuend nach dem ereignisreichen Tag. Als hätte sie’s geahnt. Das war Hilde! Seine Hilde. Ach ja und Wein, und endlich wieder so alt sein dürfen, wie man sich fühlt. Beziehungsweise so jung. Was würde nächstes Jahr sein um diese Zeit?
    Auch Hilde hatte diese Frage gestellt, beim Anstoßen. Und schon jetzt dankbar gelächelt. Die Perlenkette schimmerte intensiver als sonst. Oder kam ihm das durch die Kerzenbeleuchtung nur so vor? Still, wie es ihre Art war, freute sie sich des Festes in kompletter Familienbesetzung. Anfangs hatte Monika hemmungslos gegähnt und gequengelt wie eben Kinder, wenn sie merken, daß sie einen guten Eindruck machen sollen. Aber jetzt war sie wach, saß auf der Couch und lachte über den Onkel, der im Kerzenschein Zweig für Zweig nach seinem Geschenk absuchte. Er schien nicht zu wissen, daß man an Weihnachten Geschenke an den Baum hängt. Besonders komisch war es, als er sich Wachs auf die Jacke tropfte, sie gleich auszog und Mutti gab, die ihn beruhigte. An der Jacke war ein Kettchen, das in eine Tasche verschwand. Drinnen war eine Uhr mit einem Sprungdeckel. Die Mutti war sehr erstaunt darüber und furchtbar neugierig, und der Onkel sagte ihr, daß er die Uhr tragen müsse. Dann fand er endlich das Geschenk, eine Brieftasche aus einem Krokodil. Der Onkel wußte gar nicht was er sagen sollte, nur, daß die Mutti da aber viel Geld ausgegeben habe. Die Mutti sagte, das sei nur eine Kleinigkeit. Dabei stimmt das gar nicht. Erst kürzlich hatte die Mutti gesagt, Kroko wäre sehr teuer und wenn auch innen Kroko ist, dann wär’ es noch viel teurer. Das hat Monika dem Onkel auch gesagt. Weil bei der Brieftasche auch innen Kroko war.
    Es wurde gesungen. Monika war unmusikalisch. Oder müde. Oder beides. Hilde freute sich bis ins Tremolo ihrer kleinen Stimme.
    Bei >Ihr Kinder lein kommet< paßt der Onkel, entkorkt die zweite Flasche, nuckelt zufrieden im warmen Puppenheim.
    Hildes Brillantclip funkelt im Widerschein des Christbaums: ein lupenreiner Stern von Bethlehem. Nun singet und seid froh. Das ist er.
    Ein schlimmer Tag war das — nächstes Jahr hätt ich schon Großvater sein können — dieser verantwortungslose Schweinekerl — hoffentlich geht’s ihr besser — sie war so blaß — ach ja — ich wünsch mir Ruhe — man braucht an sich so wenig — einen Menschen der sich ein bißchen Mühe gibt — ich muß mehr an mich denken — wenn nur die Vernunft nicht so unvernünftig wär einen immer an die Pflicht zu erinnern
    Seine Frau hatte lange telefoniert. Es tat ihr gut, reden zu können. Man brauchte an sich wenig. Einen Menschen, der sich Mühe gab, einen zu verstehen, oder auch nur die Geduld, einem zuzuhören. Die Kinder würden bald aus dem Haus gehen; nächstes Jahr könnte sie bereits Großmutter sein. Sie wurde nicht mehr gebraucht, schaffte sich sinnlose Pflichten und wollte im Grunde doch nur Ruhe.

    Am ersten Feiertag stellte Golo seine zukünftige Familie

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