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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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ersetzt, das den Gebenden weniger Zeit kostet und den Empfangenden mehr Freude bringt. Sich dafür zu bedanken, wäre dem einzelnen Arbeitnehmer allerdings als Verrat an der Gewerkschaft vorgekommen.
    Vor ein paar Jahren hatte er die Lehrlinge zusammenrufen lassen, um ihnen durch persönliche Zuwendung ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Werk zu vermitteln. Bis ihm einer antwortete, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen: »Die paar Mark können Sie sich an den Hut stecken!« Einhundertvierundneunzig Christstollen, die sich in der Sporthalle türmten, waren für die Gastarbeiter bestimmt. Der Chef verabschiedete jeden mit Handschlag, wünschte ihm und seiner Familie guten Appetit zu dem rosinengespickten Symbol deutscher Weihnachtsseligkeit und nahm Dank in mehreren mediterranen Sprachen entgegen. Der Handschlag des Chefs, von dem sie zu Hause berichten konnten, erleichterte ihnen die Isolierung, in der sie lebten, half ihnen sich heimischer zu fühlen im ungastlichen Gastland. Und der Chef freute sich der kleinen, wenngleich unbequemen Geste, die sich herumsprechen würde, als Ausdruck seines dynamischen Führungsstils. Gut zu sein machte froh, wirkte entspannend und gehörte somit zum gesunden Leben.

    Auf seinem weißen Frotteetuch mit der grünen Klammer liegt der Mitarbeiter. Er hat von seiner Krankheit berichtet.
    »Nein Doktor, diesmal muß ich Sie enttäuschen. Wenn es einen psychischen Grund dafür gäbe, hätte ihn mir der Professor bestimmt gesagt. Er ist enttäuscht, weil er nichts gefunden hat. Ich kenne doch Ärzte! Zumal wir uns nicht sonderlich mögen. Und wegen des Mädchens kann’s schon gar nicht sein. Oder glauben Sie, ich hätte im Unterbewußtsein nach einer Entschuldigung gesucht? Absurd.«
    »Soweit ich informiert bin, fing das Leiden an, als Sie mit Ihrer Frau in Capri waren?«
    »Na bitte! Auch das spricht dagegen. Oder wollen Sie damit sagen...«
    »Ich will gar nichts! Was würden Sie selbst denn sagen?«
    »Was auch meine Frau sagt: Verschleppte Erkältung.«
    »Und was sagte Ihre Frau zur Diagnose des Professors?«
    »Wir sprachen nicht weiter darüber. Ich sagte nur, die Bettwärme habe mir gutgetan, es sei alles wieder in Ordnung. Wenn sie anderer Ansicht wäre, würde sie’s sagen. Bei meiner Frau weiß man immer, woran man ist. Das ist eine ihrer besten Eigenschaften. Was nötig ist, wird besprochen. Wir führen eine sehr höfliche und geordnete Ehe. Solange man jung ist, teilt man das Bett, später die Sorgen — eine völlig normale Entwicklung. Ich würde mich auch nie scheiden lassen. Wenn man die Dinge nicht trennen kann, soll man sie gar nicht erst anfangen. Nein, Doktor, psychische Gründe zu suchen, ist wirklich zwecklos.«
    Als sich der Doktor nach Träumen erkundigt, um seine Vermutung dem Mitarbeiter begreiflich zu machen, bekommt er eine überraschende Antwort.
    »Wissen Sie, hinter was ich gekommen bin? Träume sind quasi die Putzfrauen der Seele. Sie räumen nach den Tagesereignissen auf und zerreden dabei alles noch einmal. Tags drauf hat man dann einen klaren Kopf für neue Taten.«
    »Ich wollte, es wäre so«, sagt der Doktor. »Es hätte mir einige Studienjahre erspart. Und was haben Sie also geträumt?«
    »Sie suchen immer noch nach psychischen Motiven. Aber ich muß Sie enttäuschen. Ich habe viel geträumt, sehr viel, und nichts behalten.«

    Stephanie bat ihren Vater, sich Zeit zu nehmen. Sie wolle Weihnachtseinkäufe mit ihm machen. Er freute sich über ihren Wunsch und fuhr bereitwillig in ihrem kleinen Wägelchen mit in die Stadt. Zu zweit würden sie eher ein passendes Geschenk für die Mutter finden. Stephanie sprach wenig während der Fahrt. Auch sie schien nachzudenken. Erst in der Tiefgarage unter dem Max-Josephs-Platz wurde ihm klar, daß ihre Gedanken nicht um Weihnachten kreisten. Stephanie stellte den Motor ab, stieg aber nicht aus.
    »Ich muß mit dir reden, Papi. Ich glaube, ich bekomme ein Kind.«
    Darauf hat er keine Antwort, weiß nur, daß er etwas sagen muß, als Vater, aber nicht, wo und wie er anfangen soll, hört sich, während er einen Standpunkt sucht, von Leichtsinn sprechen, von Unverantwortlichkeit, schöner Bescherung und wieso das passieren mußte, wozu gäbe es denn diese Pillen.
    »Das weiß ich alles, Papi. Aber es ist nun mal so.«
    Jetzt begreift er, macht sich die Folgen klar. Das ändert seine Haltung. Wer es gewesen sei? Soso ein Gleichaltriger, ein Student, hört er sich sagen, mit deutlicher Bitterkeit. Das komme eben

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