Ich liebe mich
angekündigt. Daß ein Auftraggeber sich die Produktionsstätten ansehen will, ist normal. Die Lieferungen gehen pünktlich und bisher ohne Beanstandungen hinaus. Selbstverständlich wird der Chef der Besichtigung beiwohnen. Er genießt es, offiziell von der Reise zurück zu sein, geht über das Werksgelände — sein Werk! — inspiziert, was der Kommission gezeigt werden wird, spricht mit den Leuten, demonstriert dynamischen Führungsstil. Es ist gut, wieder an seinem Platz zu sein. Es wird sich herumsprechen.
Es spricht sich herum.
Stephanie betritt das Vorzimmer, steht Hilde gegenüber. Beide wissen, daß sie wissen. Stephanie spricht als Tochter des Chefs mit der Angestellten.
»Bitte melden Sie mich meinem Vater.«
Hilde macht sich nicht auf zum Botengang für die Familie, sie bleibt sitzen und betätigt die Sprechanlage.
Es wird ein Wiedersehen unter Komplicen. Ohne Floskeln, ohne Spitzen, ohne Fragen. Wer kommt, will was.
»Papi, ich kriege ein Kind.«
Jetzt doch Floskeln: Leichtsinn, Versündigung gegen sich selbst, Rücksicht auf die Gesundheit, Konflikt mit dem Gesetz, einmal sei genug. Stephanie kennt den Text, wartet auf die Frage nach dem Mann, dem sie ihren Zustand verdankt. Aber die Frage bleibt aus. Sie stellt klar:
»Damit wir uns richtig verstehen, Papi: Ich will das Kind kriegen und eine große Hochzeit mit allem Drum und Dran, möglichst zu Weihnachten und ein Fest mit viel Familie!« Sekunden des Glücks: Er umarmt seine Tochter, drückt sie an sich, als wolle er sich, überwältigt und erleichtert, bedanken für ein großherziges Geschenk.
Jetzt muß Hilde vernünftig sein. Weihnachten und Hochzeit zusammen: Er wird sich zeigen, mit der Familie, und alle Gerüchte Lügen strafen. Und mal wieder in seinem Bett schlafen. Er drückt Stephanie an sich, küßt sie: Und in der breiten Wanne baden. Erst jetzt kommt seine Frage nach dem zukünftigen Vater. Stephanie faßt sich kurz. Anwalt, Mitte dreißig, als Syndikus tätig. Liebesheirat. Bei der Altersangabe nickt der Vater zustimmend; nach Einzelheiten fragt er nicht. Sie weiß, was sie will.
»Du machst mir eine schöne Hochzeit?«
Er nickt.
»Zu Weihnachten?«
Er nickt.
»Eine große Hochzeit?«
Er nickt.
»Und du wohnst im Haus?«
Er nickt. Unvermittelt fällt Stephanie in den Komplicenton:
»Wird auch höchste Zeit, daß du Vernunft anni mm st. Werd bloß nicht noch Vater auf deine alten Tage! Ich bewundere Mami. Mit mir könntest du das nicht machen!«
Seine Antwort gefällt ihm nicht. Warum sagt er seinem Kind, er könne noch sehr lange Vater werden? Der Gedanke, den er dabei streift, ist um so besser: Sie solle erst einmal so lange verheiratet sein wie er, dann sehe die Welt anders aus. An sich auch ein dummer Satz, denkt er. Da fällt ihm, auf der Suche nach der verlorenen Autorität, ein besseres Motiv ein.
»Mach dir in deinem Zustand keine Gedanken, die dich aufregen, Kleines. Sei heiter und entspannt. Und rauch nicht mehr! Es muß das schönste und wonnigste Baby der Welt werden!«
Stephanie verläßt einen beschwingten, aber keineswegs entspannten Vater, der, aufgeregt hin und her laufend, versucht, seine Gemütsbewegung in Gedanken und Dispositionen zu kanalisieren. Das Datum dieses erfreulichen Tages beschäftigt ihn. Er spielt mit der Zahl: Auch der Geburtstag der Zwillinge war ein Siebenundzwanzigster; an einem Siebenundzwanzigsten ist er verwundet worden und dadurch der Einkesselung entronnen; auch sein Hochzeitstag war ein Siebenundzwanzigster. Das kann kein Zufall mehr sein.
Hilde kam herein, offenbar nur, um den Aschenbecher zu leeren und das Fenster zu öffnen, umständlich und langsam, ohne etwas zu sagen, ohne etwas zu fragen.
Noch immer geht er auf und ab, versucht seine beschwingte Laune zu verbergen, weiß nicht, wie er’s ihr sagen soll, sie wird sehr vernünftig sein müssen, sehr vernünftig.
Ach ja.
Er unterliegt seiner Erregung.
»Du darfst mir gratulieren.«
»So?« sagt sie, noch immer mit dem Aschenbecher beschäftigt.
Er baut sich vor ihr auf.
»Ich werde Großvater!« sagt er, sieht wie sie innehält, bevor sie scheinbar leichthin fragt:
»Golo oder Stephanie?«
»Stephanie.«
Wieder zögert Hilde.
»Man sieht noch nichts.«
Er geht auf und ab.
»Das wär ja noch schöner!«
»Wird sie heiraten?«
Breitspurig, die Hände in den Taschen, kommt er auf sie zu. »Selbstverständlich! Schnellstens. Es wird eben ein Siebenmonatskind. So etwas gibt es. Alles muß seine Ordnung
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