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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Fahrten in beliebte Erholungszentren durch; die werkseigenen Wohnungen sind mit jedem Neuzeitkomfort ausgestattet; auf Wunsch kann Umwandlung in Eigentumswohnung erfolgen...«
    Ob solche Großzügigkeit nicht zu Mißbrauch verleite? will der Doktor wissen.
    »Sie kennen unsere Verträge nicht! Wenn sich da einer einnisten will, dessen Nase mir nicht paßt, sitzt er auf der Straße. Da kenne ich keine Rücksicht. Ordnung muß sein.« Wäre sein Gegenüber Patient, würde der Doktor hier ansetzen, würde behutsam einige Bauelemente herausgreifen und einander gegenüberstellen. Fallenreiche Verträge und gottgewollte Betriebsführung zum Beispiel. Aber sein Gegenüber ist noch unentschlossen, Hilfesuchender auf psychotherapeutischer Probefahrt. Nach Jahren des Verbots hat man in Deutschland noch immer Vorbehalte gegen die artfremde« Wissenschaft.
    Ein Scherz über die enteilende Zeit meldet dem Doktor, daß alles gesagt ist. Die Hoffnung, sich gelegentlich wiederzusehen, wird vom Besucher »zwischenmenschlich« durch Handschlag bekräftigt.
    Am Gartentor zögerte er einen Augenblick, sah sich um, bevor er auf die Straße trat, um aufrecht, ein Mann, der nichts zu verbergen hat, dem nächsten Taxistand zuzustreben. »Komm Herkules! Hier wird nicht mehr geschnuppert!«

    In dieser Nacht schlief er durch. Herkules, der wie immer zusammengerollt am unteren Ende des Bettes auf der Steppdecke lag, hatte Schwierigkeiten. Herrchen zuckte und warf sich von einer Seite auf die andere. Klug gab die Kreatur nach, verkroch sich hinter den Stummen Diener, über dem die am Tage getragene Jacke hing: Vertraute Aura ohne Gezappel. Herrchen atmet schwer. Tropisch wuchern die Traumbilder im Dschungel des Unbewußten.
    Seine Mutter, seine Frau, seine Tochter fahren in offener Kutsche. Mit nackten Oberkörpern. Die Straße ist holprig, daß die Busen hüpfen. Er läuft nebenher und fordert Passanten auf, sich abzuwenden. Vor allem wegen der Mutter. Dafür soll er hingerichtet werden. Er flieht mit den Seinen in heißen Lehm. Dort sitzen sie und warten auf Hilde, seine Sekretärin, die ihn ins Werk bringen soll. Nur ihn. Sie kommt im Dirndl. Aber das Werk ist gesperrt. Gemeinsam stemmen sie den Schlagbaum hoch. Er ist erschöpft, aber gerettet.
    Entgegen seiner Gewohnheit badete er vor dem Frühstück. Es verlangte ihn nach Wasser, nach Seife, nach Schrubben und Frottieren. Er putzte die Zähne gründlicher als sonst, steckte den Pyjama in den Wäschepuff, rasierte sich friseurhaft langsam. Dabei summte er einen Schlager aus den zwanziger Jahren. Er störte damit niemand, obwohl ihn das nicht gestört hätte. Wie üblich, war seine Frau vor ihm im Bad gewesen. Erst zum Frühstück zeigten sich die Mitglieder der Familie einander, ansprechend und ansprechbar. Während er die Krawatte band, eine selten getragene, die ihm seine Frau zu einem Geburtstag geschenkt hatte, letzte Selbstinspektion: Das Subjekt reflektiert über das eigene Objekt. Summend.
    Krank seh ich nicht aus — aber alt — wofür plagt man sich — ach ja — ein Häuschen am Waldrand — Ruhe
    Haare fallen ihm auf, die sich aus den Ohren biegen, wie schlanke Gräser. Und aus der Nase.
    Summend trat er ins Frühstückszimmer, entbot den Morgengruß in rhythmischem Sprechgesang.
    »Guten Morgen einerseits, andrerseits, allerseits.«
    Die Seinen drehten die Köpfe, wie Gäste im Kurhotel nach einem, der von draußen kommt, ohne die Stimme rechtzeitig auf Raumgeflüster zurückzunehmen. Mit sparsamem Kopfnicken übergingen die Zwillinge seinen flotten Auftritt. Solange er den Morgenkuß für Mutter nicht vergaß, war alles in Ordnung.
    »Gut siehst du aus! Du warst beim Friseur.«
    Er widersprach. Sie auch.
    »Ich seh’s an deinen Ohren. Die Schnurrhaare haben mich schon lange gestört. Ich wollte nur nichts sagen. Es heißt doch: Wenn aus Ohren und Nase lange Haare wachsen, wird der Mann alt.«
    »Findest du das sehr witzig?« fragte er.
    »Verzeih. Ich wollte dich nicht kränken.«
    Die Zwillinge fingen ein harmloses Gespräch an. Schweigend trank der Vater den heißen Tee, stand auf und verließ das Zimmer.

    Hilde war besorgt. Nicht weil der Chef hustete, daß sie’s im Vorzimmer hörte, trotz Doppeltür und Schreibmaschinengeklapper, Husten vergeht wieder. Schlimmeres hatte sich ereignet: der Chef mißtraute ihr. Seine Worte, durch die Sprechanlage verquakt, schmerzten sie.
    »Hildchen zweierlei: Bringen Sie mir bitte das Telefonbuch und lassen Sie das Buch >Die Hausfrau

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