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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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verlief glatt, ohne Überraschungen.
    Zwei Pausen boten den Damen Gelegenheit, die Bemühungen verschiedener Salons und Hausschneiderinnen zu studieren, während die Herren sich damit begnügten, das zu prüfen, was diese freigelassen hatten. Überall glitzerten Ersparnisse.
    Nur ein ausgesiebter Kreis und einige für den Gesamteindruck nützliche Intellektuelle durften dem Potentatenpaar die Hand drücken, wobei der Ministerpräsident die Vorstellung persönlich übernahm. Politiker aller geduldeten Richtungen gaben sich großbürgerlicher als sie waren und bewiesen einmal mehr, daß die Elite eines Staates, in Gala versammelt, nur in Glücksfällen ein gesellschaftsfähiges Bild abgibt.
    Er hatte keine Beschwerden. Noch auf der Heimfahrt schwang es festlich in ihm nach.
    »Schau die alten Gaslaternen um den Platz! Unser München! Eine herrliche Stadt. Na, Erich, gefällt es Ihnen auch?«
    »Sicher, Herr Direktor. Aber wenn ich an Dresden zurückdenke...«‘
    Sie schwiegen. Dabei fiel ihm auf, daß seine Frau keine Ohrringe trug.
    »Ach ja« sagte er, als sie über die Prinzregentenstraße zum Friedensengel hinauffuhren. »Für mich hatte das Stück diesmal eine merkwürdige Faszination. Diese Mischung aus Märchen, Mythen und christlichem Ritual...«
    »Seit wann interessierst du dich für Wagner? Und ausgerechnet für den Text?«
    Er sprach vom Hinausschub des Todes durch die verjüngende Kraft des Grals, sie lobte die Partitur, verwarf aber den metaphysischen Bezug als Schwulst.
    »Für mich gehören Opern in den Konzertsaal. Während sie singen, können sie nicht agieren. Man soll sie aufs Podium stellen, meinetwegen die Gesichter beleuchten, aber sonst alles im Dunkeln lassen! Dieses zweistimmige Händchenhalten erinnert mich immer an Eiskunstlauf.«
    Zwischen Bad und Ankleidezimmer ging die Auseinandersetzung weiter.
    Sie hatte noch viele Argumente.
    »Du kannst mir sagen, was du willst. Für mich ist Oper wie ein überhäuftes Restaurationsbrot. Restauration — das ist überhaupt ein sehr guter Vergleich! Festlich gekleidete Bürger konsumieren Kunst kalt vom Büfett. Wer wissen will, was es gibt, liest das Menü im Opernführer nach.«
    »Warum bist du heute so kritisch, so aggressiv?« fragte er, und da sie ihm die Antwort schuldig blieb, fiel ihm wieder ein, was ihm aufgefallen war. »Du hättest dich besser anziehen können!«
    »Wie meinst du das?«
    »Du weißt genau, was ich meine! Du hättest dich begabter zur Geltung bringen können. Du hast noch ein sehr gutes Dekolleté.«
    »Lieb von dir. Aber vor dreißig Jahren, als ich es wirklich hatte, habe ich mir auf deinen Wunsch angewöhnt, es hinter Umhängen zu verstecken, wie Kundry im dritten Akt.«
    Er klappte die Frackhose in den Spanner, daß die steife Hemdbrust einknickte als sei sie beleidigt.
    »Du warst zum Beispiel die einzige, die nur eine einreihige Perlenkette umhatte.«
    »Meinst du, daß das einem Menschen aufgefallen ist?« Während sie sich die Zähne putzte, entließ er den genossenen Schaumwein. Sie antwortete mit frischem Atem.
    »Du mußt nicht den Wasserknopf drücken, während du mir Vorwürfe machst. Dadurch entgeht mir viel.«
    In Gesellschaft war er sehr stolz, wenn sie schlagfertig antwortete, nie aggressiv aber von entwaffnendem Unernst. So mochte er sie.
    Sie lag im Bett und cremte sich ein. Er saß auf der Kante Sie schwiegen harmonisch. Bis er sagte:
    »Für mich war’s ein schöner Abend. Auch wenn es dir nicht gefallen hat.«
    »Auch wenn ich dir nicht gefallen habe?«
    »Ich will doch nur, daß du zufrieden bist, Liebes. Wofür arbeite ich denn?«
    »Ich glaube auch ein bißchen, damit du zufrieden bist. Ein ziemlich großes Bißchen.«
    Sie milderte ihre Worte mit zärtlicher Hand. Zum ersten Male seit Auftreten der Beschwerden überkam ihn das Gefühl, als treffe seine Natur Anstalten, ihr entgegenzukommen. Er rieb den Kopf an ihrer Schulter.
    »Hast du einen Wunsch?«
    »Bitte keinen Schmuck! Keinen Pelz! Wenn ich mir noch etwas wünsche, dann weg von allem, ein Häuschen am Waldrand...«
    Das mit dem Häuschen war eigentlich sein Gedanke. Er hatte damit geliebäugelt, in qualvollen Nächten. Er! Sie aber hatte ihn ausgesprochen. Als ihren Wunsch. Es war bereits ihre Idee. Sie beschrieb das Haus, wie sie es sah — und so würde es werden —, richtete ein, zwang ihn, ihren Vorstellungen zu folgen.
    Er folgte treuherzig, lächelte stumm. Sein Puls wurde ruhiger, wunschlos langsam, mit halb geschlossenen Augen lag

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