Ich liebe mich
reifem Brio zur entscheidenden Aussage des Duetts. Ein Gipfelvibrato noch, fordernd: Komm, komm!, ein Blick der trotz ihrer Entrücktheit des Beifalls Sicheren — dann senkte sich der Daunenvorhang über den Akt.
Nachmittags kam überraschend seine Frau. Nach Kurplan müsse der Herr Direktor im Schwimmbad sein, hieß es. Ein Mädchen wurde ausgeschickt, schmal und fröhlich und in seinem schmucken Dirndl wie dafür geschaffen, Erfreuliches zu melden. Es kostete einige Mühe, des Crawlenden habhaft zu werden. Erst als Elvira ihm in die Quere schwamm, hielt er inne, nahm Kurs auf den Bassinrand und sah verdutzt an den langen Mädchenbeinen hinauf. Chefdisposition im Wasser:
»Du kommst nach, Elvira. Wir sitzen in der Halle. Selbstverständlich kommst du nach! Ihr kennt euch ja.«
Im Bademantel federte er seiner Frau entgegen, lieh ihr eine feuchte Wange zum Kuß, bestellte Tee, zog sich um und war zu sprechen. Sie sprach von Störung, er von Freude. Trotzdem erklärte sie Zusammenhänge. Brockhoffs, die nie wissen, wohin sie gehören, hätten ein Haus gekauft, ganz in der Nähe. Da hinein gehörten sie nun gar nicht. Es sei fast ein Schloß.
»Ich soll sie bei der Einrichtung beraten. Sie sind doch so unsicher. Erst wollte ich absagen, aber dann dachte ich, warum nicht die Fahrt mit einem Besuch verbinden? Laß dich anschauen. Richtig dünn bist du geworden! Steht dir viel besser. Geh nicht zu viel in die Sonne! Es bekommt dir nicht! Du siehst so aufreizend flott aus mit dem Tuch im offenen Hemd.«
»Das trägt man hier.«
»Ja dann...!«
Elvira kam. Die Damen bescheinigten einander Wiedersehensfreude, überraschend gutes Aussehen, unverändert sozusagen. Er lachte reichlich, ohne eigenen Beitrag zur Konversation. Elvira verbreitete sich über den modischen Aufwand der weiblichen Kurgäste, seine Frau wollte die männlichen nicht ausgeklammert wissen, erwähnte sein Halstuch, das sorgfältig geschlungene, worauf Elvira ihr beistimmte. Angeregt unterhielten sich die Damen. Er saß dabei, knabberte an seinem Knäckebrot, entschuldigte sich, telefonierte mit Hilde, der er mehrere Briefe diktierte.
Als er zurückkam, standen die Damen. Elvira versprach sich zu melden, sobald sie wieder in München sein würde. Am Wagen flüchtiger Kuß. Ohne Elvira.
»Eine nette Person! Mit bemerkenswert hübschen Beinen. Überhaupt appetitlich. Noch nicht erloschen, wie viele, wenn man sie wiedersieht, nach so langer Zeit. Mach’s gut. Und übertreib nicht, Sonneliegen und Schwimmen... Morgen abend rufst du ja wieder an.«
Nicht alles, was praktisch ist, muß auch vernünftig sein, oder gar gesund. Bequemlichkeit aus zweckdienlichen Einzelteilen zusammengesetzt, hat schon manche Bandscheibe ruiniert, manche Seele aus dem Gleichgewicht gebracht. Das doppelt breite Bett etwa, so unbestritten sein Wert als Verschmelzungsunterlage sein mag, bei genauerer Betrachtung lassen sich außer diesem mehr technischen Nutzeffekt kaum Vorteile anführen. Zwar verspricht die großzügig dimensionierte Liegefläche, zumal wenn sie nur mit einer breiten, gemeinsamen Überdecke ausgestattet ist, in jeder Gruppierung kuscheliges Nestgefühl, gerade das aber verleitet zur Nähe. Und Nähe stimuliert. Der eine Partner schmiegt sich an, der andere, just einer Idee nachsinnend, fühlt sich durch die Berührung gestört, wendet sich ab, trotzt sich zu seinen Gedanken zurück, sendet Abwehrimpulse gegen weitere Annäherungsversuche. Das selbstbeheizte Nest wird zur Kochplatte, die sich nicht abstellen läßt. Aus dem einen Topf verdampft die Zärtlichkeit, bis er glüht, im andern verkochen fruchtbare Einfälle. Auch kann das Doppelnest der Nase verdrießlich werden. Nicht jeder Mensch hält ununterbrochen eine Aura, die dem Nächsten seine Nähe wünschenswert erscheinen läßt. Des weiteren sind Geräusche eigener Herstellung, Bluttemperatur, Nervenreflexe oder Bewegungen im Traum nicht immer von der Art, dem Partner Ruhe und Entspannung zu gewährleisten. Ja selbst nach zweisamer Wonne kann das Wetter im Nest unversehens Umschlagen. Während die Partnerin, ihrer Natur gemäß zufrieden wiederkäuend, den starken Arm als Kopfkissen sucht, mag der Spender in Gedanken bei jener weilen, von der er die Kraft empfing, weil er in seiner Phantasie den Gipfel mit ihr bezwang. Bei solcher Konstellation wird es unvermeidlich sein, daß ihm der Arm einschläft. Umgekehrt mag die Beschenkte von einer Urgewalt geträumt haben, der sie in dieser Partnerschaft
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