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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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alleine zu haben!«
    Elvira nahm die Treppe des Festspielhauses mit Eleganz, nickte zurück, wenn er gegrüßt wurde.
    Das Licht wurde eingezogen, Beifall, der Maestro erschien am Pult, verneigte sich gemessen vor dem Kreis der Auserwählten, die, in der Mehrzahl, nicht gekommen waren, weil sie seine Auffassung von Musik so gut verstanden, um beurteilen zu können, ob sie sie teilten, sondern der Exklusivität wegen, die es bedeutete, an diesem Abend dabeizusein, in der Weihehalle legitimer Begegnung des Bürgers mit seiner Kunst.
    »Exciting!« sagte eine alte Stimme hinter ihm, als der Taktstock sich hob. Die Herren ließen die Schultern sinken und dem Bauch freie Entfaltung, während die Augen der Damen sich aufmachten, bereits Überflogenes im Schutze des Halbdunkels ausführlich zu betrachten.
    Elviras Hand sucht Pans Hand. Drückt sie.
    Ach ja — ging alles gut — bis jetzt — aber keine Erholung — der Industrieverband ist reichlich vertreten — Stephanie freut sich — sie ist nicht mißtrauisch — warum mag sie Elvira nicht
    Seine Hand schließt sich zum Druck. Elvira lächelt ihn an.
    In der Pause sagten alle:
    »Grandios!«
    Jeder hatte zu folgen vermocht, selbst wer zeitweilig vom Schlaf überwältigt worden war, konnte mitreden. »Grandios!«
    Als sich der Schluß Vorhang senkte, war es Pan, als sei eine Epoche zu Ende. Zeremoniöser Beifall. Man klatschte gedämpft emphatisch. Bis Hand in Hand im Reigen der kostümierten Stimmen der Maestro auf der Bühne erschien. Elvira wundert sich, ohne ihr Klatschen zu unterbrechen. »Wildlederschuhe zum Frack! Trägt man das jetzt?«
    Im Goldenen Hirsch drängte man sich zum Souper. Begrüßungen auf dem Weg zum Tisch, der versperrt war durch Begrüßungen auf dem Weg zu anderen Tischen. Man nahm in Kauf, man war hingerissen, von der Oper, von Stephanie, die sich einfand, von Salzburg, vom Dabeisein. »Grandios!«
    Er lächelt als Vater, als Pan, als dynamische Führungskraft; Elvira genießt den Familienanschluß, sagt es, bestellt Tafelspitz, weil man hier Tafelspitz bestellt, und entschwindet zur Toilette.
    »Gott sei Dank, Papi! Hoffentlich bleibt sie recht lang. Dauernd wird sie für meine Mutter gehalten. Ich mag das nicht! Warum ist sie überhaupt bei uns?«
    Schon kommt Elvira zurück. Wie es denn bei der Serenade gewesen sei? Sie möge doch erzählen. Die Tochter mißtraut ihrem Interesse, berichtet, ohne Elvira ganz auszuschließen, vorwiegend ihrem Vater. Ein Jungkellner im verwaschenen grünen Janker bringt den Tafelspitz. Elvira lenkt das Gespräch auf die Oper, lobt, da sie von Malerei mehr versteht, das Bühnenbild über Gebühr, ohne deshalb die Nahrungsaufnahme zu verlangsamen.
    Stephanie sieht ihren Vater an:
    »Ich für meinen Teil höre Musik lieber, als daß ich sie sehe. Meine Mutter sagt immer: Die Oper ist kulinarischer Natur.«
    Elvira findet die Ausdrucksweise leicht gestelzt. Stephanie wird rot.
    »Dann müssen Sie mal Brecht lesen. Da steht es. Wörtlich!«
    »Wir sollten Mami eine Karte schreiben«, lenkt der Vater ab. Der Jungkellner bringt Apfelstrudel und Birne Hélène, dazu, auf Silbertablett, die Feste Salzburg, bunter als in Wirklichkeit und schon fürs Ausland frankiert. Elvira entzieht sich der Familiendemonstration und geleitet einige suchend herumstehende Ladies zu dem ihr bereits bekannten Room.
    Zügig schreibt der Vater, größer als sonst, rundet die wenigen Zeilen der Tochter — schade daß Du nicht da bist — zu ironischer Festspielimpression, bis die Karte mit Worten verstellt ist, längs und quer, wie der Parkplatz vor dem Hotel. Stephanie sieht ihm eislöffelnd zu.
    »Hoffentlich geht sie bald ins Bett! Könnte so nett sein mit uns zweien. Dabei ist sie ganz komisch. Wenn sie am Nebentisch säße, könnte ich ihr stundenlang zuhören. Merkt sie denn nicht, daß sie uns stört? Woher nimmt sie nur die Chuzpe?«
    Ob solche Ausdrücke einer Germanistin anstünden, will der Vater wissen und muß sich belehren lassen, daß die Präzision mancher jiddischen Worte mit sozusagen arischen Mitteln nicht zu erreichen sei. Aber er solle nicht ablenken, sondern Elvira ins Bett schicken.
    Pause. Blick. Frage:
    »Hast du mal was mit ihr gehabt?«
    Der Vater hat große Mühe.
    Die junge Ungeduld kommt ihm zu Hilfe.
    »Schau nicht so! Wäre doch immerhin möglich. Sie war sicher mal sehr hübsch. Muß allerdings schon länger her sein, nach dem, was ich heute nachmittag in der Umkleidekabine gesehen habe. Uferlos sage ich

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