Ich liebe mich
Bett war aber unberührt. Ich hab’s genau gesehen!« Nachsichtig blickte das Bruderauge.
»Ich denke, du hattest vorher drin gelegen?«
Stephanie sah ihn nicht an. Sie ärgerte sich über seine Logik, die sie mundtot machte, ohne zu überzeugen. Genauso würde er eines Tages als Arzt daherreden. Ein Jurist im weißen Mantel, rechthaberisch, ohne Intuition. Als Bruder hatte er versagt. Als Zwillingsbruder. Sie konnte nicht mit ihm reden. Über nichts.
Köstlich duftet Elviras Kaffee. Pan sitzt unter der preisgekrönten >Dame mit Hut<, als >Herr mit Tasse< gewissermaßen. Sein Lächeln gilt dem Kameraden Elvira, der dem Wiedersehen alle Peinlichkeit nimmt.
»Wollen wir’s vergessen, Pan. Kinder haben ein feines Gespür. Trink noch ein Täßchen! Und laß uns bald wieder wegfahren. Weiter weg. Ich weiß auch schon, wohin.«
»Ja, Doktor. Da bin ich wieder einmal. Hat einige Zeit gedauert. Aber was will man machen? Viel um die Ohren, viel um die Ohren! Und zu allem Überfluß noch eine gezielte Indiskretion. Ich hatte ein Gespräch mit der Gewerkschaft, vertraulich, dabei distanziert, ironisch. Ich wollte einmal sehen, wie sie reagieren, wenn man privat mit ihnen spricht, nicht als Sprachrohr des Arbeitgeberverbandes. Das Gesprächsklima war ausgezeichnet. Wir saßen beim Bier, zünftig... weiß der Teufel, wie der Verband davon Wind bekommen hat. Man kann mit niemand mehr reden. Dabei war ich glänzend in Form. Der alte Unternehmergeist war wieder da, die Lust am Wagnis. Aber ich will Sie damit nicht langweilen. Sie werden’s ohnehin bald in der Zeitung lesen können. Nun ja. Jetzt zu mir: Ich wollte Sie immer einmal anrufen, aber dann mußte ich weg. Nach Salzburg. Nun, ich habe das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden, Sie versteh’n: Ich war nicht alleine dort. Es ging aber alles bestens. Ansonsten: Großes Luftbedürfnis, wieder ein paar schlechte Nächte, dumme Träume; eine Unfallsache mit einer alten Frau, tödlich, durch meine Schuld, oder sogar Initiative... Unwichtig.«
Unaufgefordert zieht der Besucher die Schuhe aus und legt sich auf sein weißes Frotteetuch mit der grünen Klammer. »Ach, Doktor! Das tut gut. Was ich brauche, ist Ruhe. Und andere Gedanken. Das Leben muß nicht unbedingt einen Sinn haben, aber Spaß soll es wenigstens machen. Zeit müßte man haben, Zeit! Für sich. Nicht nur für andere. In sich hineinhorchen, Träume analysieren. Vielleicht ist doch etwas dran? Ganz überzeugt haben Sie mich noch nicht. Das wissen Sie. Nein, im Ernst: Es gibt, wie ich mittlerweile festgestellt habe, zweierlei Träume: abstrakte, die ohne eigene Beteiligung gleichsam als Film ablaufen, und konkrete, hautnah, chronologisch, wo man mittendrin steckt. Dafür hätte ich ein schönes Beispiel, zu dem Sie mir bestimmt einige Informationen geben können. Man braucht ja ein Gegenüber, weil man sich selbst im Weg... sich selbst nicht sieht. Also passen Sie auf: Da träume ich doch kürzlich mit bisher ungekannter Genauigkeit von meiner Salzburgreise. Alles war, wie es war, ich hatte Begleitung, nur träumte ich, meine Tochter sei noch dabeigewesen, hätte im Festspielhaus neben mir gesessen und während der Vorstellung immerzu meine Hand gedrückt. Nachher haben wir gemütlich gegessen — sogar ihren Nachtisch weiß ich noch: Birne Hélène — und sind anschließend in die Bar gegangen, in die vom Goldenen Hirsch ganz realistisch, nur Stephanie und ich. Dort haben wir in bester Laune Champagner getrunken, ich könnte Ihnen die Marke sagen, wenn’s mir nicht zu albern vorkäme, so genau war der Traum. Dann haben... hätten wir getanzt. Viele Geschäftsfreunde waren da und alle hätten zu mir gesagt: Was haben Sie für eine reizende junge Frau! Natürlich wollen alle mit ihr tanzen. Kommt ja nicht in Frage! hab ich gesagt. Wir gehen schlafen! Vor der Zimmertür gibt Stephanie mir einen Gutenachtkuß, bedankt sich für alles. Kaum daß ich den steifen Kragen runter habe, steht sie schon wieder da, im Morgenrock, reizend und lacht und hat einen Schwips. Sie wolle nur kontrollieren, ob ich meine Zähne auch schön einweiche über Nacht. Ich sage: So frechen Mädchen gehört der Hintern voll! Worauf sie plötzlich auf meinem Schoß sitzt: Tu’s doch! Tu’s doch, wenn du kannst! — Auf geht’s! dacht ich mir, hab sie gepackt und rumgedreht, das heißt, so leicht ging das gar nicht. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Schließlich bin ich ja der Vater. Na ja, wir haben richtig gerauft. Und dann
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